Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Fortsetzung eines Rechtsstreits nach Unterbrechung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gegenpartei handelt es sich um dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 13 Abs. 5 BRAGO. Prozess-, Verhandlungs- und Beweisgebühren sind daher bei Fortführung des Rechtsstreits nicht erneut erstattungsfähig, wenn sie vor der Unterbrechung bereits entstanden waren.

2. Dies gilt auch, wenn die Partei das Mandat ihres Rechtsanwalts anlässlich der Unterbrechung gekündigt und ihm nach der Aufnahme des Rechtsstreits einen neuen Auftrag erteilt hat; denn ein solches Vorgehen und die dadurch verursachten Kosten wären zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig gewesen (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO).

 

Normenkette

BRAGO § 13 Abs. 5; ZPO § 91 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 19.01.2006; Aktenzeichen 17 O 3450/92)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 19.1.2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.943,20 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Der Rechtsstreit ist durch Eröffnung des Anschlusskonkursverfahrens über das Vermögen der Klägerin am 13.2.1998 unterbrochen worden; mit Schriftsatz vom 21.5.2001 nahm der Konkursverwalter den Rechtsstreit wieder auf. Mit Endurteil vom 12.10.2004 wurde die Klage abgewiesen; die dagegen eingelegte Berufung hat der Kläger zurückgenommen. Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens beantragten die Beklagten mit Schriftsatz vom 26.11.2004 u.a. eine Prozessgebühr, eine Verhandlungsgebühr und eine Beweisgebühr für die Zeit bis zur Konkurseröffnung sowie eine Prozessgebühr, eine Verhandlungsgebühr, eine Beweisgebühr nebst Post- und Telekommunikationspauschale sowie Umsatzsteuer als erstattungsfähig festzusetzen. Nach Auffassung der Beklagten beinhaltet die Tätigkeit nach der Insolvenzveröffnung eine neue Angelegenheit i.S.v. § 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO, so dass die Gebühren erneut entstanden seien. Den Betrag der Gebühren - einschließlich Fahrtkosten von 24,30 EUR und Abwesenheitsgelder von 30,68 EUR - beziffern sie mit 6.943,20 EUR.

Das LG hat im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.1.2006 die Festsetzung von Prozess-, Verhandlungs- und Beweisgebühr für die Zeit nach Insolvenzeröffnung abgelehnt.

1. Die zulässige (§ 104 Abs. 3 S. 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 ZPO) sofortige Beschwerde der Beklagten ist unbegründet. Nach der Beschwerdebegründung vom 6.4.2006 richtet sich die Beschwerde nur dagegen, dass das LG die Festsetzung neuer Anwaltsgebühren für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung abgelehnt hat (Ziff. 4 des Schriftsatzes). Über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens und der Privatgutachten (Ziff. 1 und 2 des Schriftsatzes) hat das LG im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.1.2006 nicht entschieden.

2. Für den Zeitraum nach der Unterbrechung des Rechtsstreits durch die Konkurseröffnung über das Vermögen der Klägerin sind keine neuen Rechtsanwaltsgebühren erstattungsfähig.

a) Die Fortsetzung des Rechtsstreits durch den Konkursverwalter ab Mai 2001 gehörte zum gleichen Rechtszug wie das bisherige Verfahren und stellte damit keine neue Angelegenheit dar. Damit galt für die Gebühren des Prozessbevollmächtigten der Beklagten § 13 Abs. 5 S. 1 BRAGO: Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, so erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre.

Die Fortsetzung des Rechtsstreits nach einer Unterbrechung gehört zum gleichen Rechtszug, weil mit der Unterbrechung die Angelegenheit nicht beendigt ist. Nach § 249 ZPO haben Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens die Wirkung, dass der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung die Fristen von neuem zu laufen beginnen; während der Unterbrechung oder Aussetzung in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen sind ohne rechtliche Wirkung. Das Verfahren ist aber nicht beendet, weil es aufgenommen und fortgesetzt werden kann. Auch die Prozessvollmacht des Anwalts und das Mandatsverhältnis bleiben vom Eintritt einer Unterbrechung des Verfahrens unberührt (§ 86 ZPO; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 87 Rz. 7). Der Rechtszug - und damit die gebührenrechtliche Angelegenheit des in der Instanz tätigen Rechtsanwalts - ist vielmehr erst nach dem Erlass der die Instanz abschließenden Entscheidung beendet (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 37 Rz. 1; Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 16 Rz. 12). Eine prozessual abgeschlossene Instanz kann wieder aufleben - z.B. wenn gegen ein Versäumnisurteil Einspruch eingelegt oder das Verfahren nach Aufhebung und Zurückverweisung durch das Berufungsgericht in der ersten Instanz fortgesetzt wird -; dann bildet das neue Verfahren mit dem früheren Verfahren eine Instanz (Gerold/Schmidt/von ...

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