Leitsatz (amtlich)
Wird zum Zeitpunkt der familiengerichtlichen Entscheidung eine Regelaltersrente gezahlt, hat diese aber erst nach Ende der Ehezeit begonnen, so sind zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes bei der Berechnung des Durchschnittswerts an Entgeltpunkten nach § 262 SGB VI sowie bei der Gesamtleistungsbewertung beitragsfreier und beitragsgeminderter Zeiten nach §§ 71 f. SGB VI nachehezeitlich erworbene Entgeltpunkte zu berücksichtigen.
Normenkette
VersAusglG § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 2, § 43; SGB VI §§ 71-72, 262
Verfahrensgang
AG Erlangen (Beschluss vom 08.12.2014; Aktenzeichen 2 F 644/14) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Bund wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Erlangen vom 8.12.2014 in Nr. 1 dahingehend ergänzt, dass die dort angeordnete Abänderung mit Wirkung vom 1.7.2014 erfolgt.
2. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben beide Ehegatten je zur Hälfte zu tragen.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
5. Der Verfahrenswert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das Familiengericht hat mit Endurteil vom 11.7.1990 die am 29.11.1968 geschlossene Ehe der beteiligten früheren Ehegatten geschieden und ausgehend von einer versorgungsrechtlichen Ehezeit vom 1.11.1968 bis 31.12.1989 den Versorgungsausgleich durchgeführt. Mit Beschluss vom 27.6.2013 (Az. 1 F 1551/12) wurde die Entscheidung zum Versorgungsausgleich abgeändert und dabei u.a. im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts der früheren Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung zugunsten des früheren Antragstellers ein Anrecht i.H.v. 3,7477 Entgeltpunkten übertragen. Die früheren Ehegatten waren im Zeitpunkt ihrer Scheidung noch erwerbstätig, im Zeitpunkt der Abänderungsentscheidung bezogen sie beide Rente. Der Abänderungsentscheidung ging eine Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 22.5.2013 voraus, in der für die Ermittlung des Ehezeitanteils i.H.v. 7,9454 Entgeltpunkten die bezogene Rente nicht herangezogen wurde, weil deren Berechnung "auch rentenrechtliche Zeiten nach dem Ende der Ehezeit zugrunde liegen".
Mit Schreiben vom 28.5.2014, bei Gericht eingegangen am 30.5.2014 beantragt der Antragsteller die "Neuberechnung des Versorgungsausgleichs aufgrund der nunmehr beschlossenen Mütterrente". Aus der Ehe sind zwei vor dem 1.1.1992 geborene Kinder hervorgegangen. Auf Anforderung des AG erteilte die Deutsche Rentenversicherung erneut Auskunft und errechnete für die Zeit ab dem 1.7.2015 einen Ehezeitanteil von 11,5205 Entgeltpunkten und einen Ausgleichswert von 5,7603 Entgeltpunkten. Im Beschwerderechtszug wurde ergänzend auch eine neue Auskunft für die Zeit bis zum 30.6.2014 vorgelegt mit einem Ehezeitanteil von 9,5205 Entgeltpunkten.
Auf der Grundlage der Auskunft für die Zeit ab dem 1.7.2014 änderte das Familiengericht die (Abänderungs-)Entscheidung zum Versorgungsausgleich mit Endbeschluss vom 8.12.2014 hinsichtlich des Anrechts der Antragsgegnerin erneut ab und übertrug auf das Konto des Antragstellers 5,7603 Entgeltpunkte. Die Wesentlichkeitsgrenzen des § 225 Abs. 1 FamFG seien überschritten. Der Zeitpunkt der Wirksamkeit wird in der Entscheidung nicht genannt.
Gegen diesen der Antragsgegnerin am 11.12.2014 und der Deutschen Rentenversicherung Bund am 12.12.2014 zugestellten Beschluss wenden sich die Deutsche Rentenversicherung und die Antragsgegnerin mit ihren am 9.1.2015 beim AG eingegangenen Beschwerden.
Die Deutsche Rentenversicherung bemängelt, dass in der Entscheidung nicht zwischen den Zeiträumen bis zum 30.6.2014 und ab dem 1.7.2014, an dem das RV-Leistungsverbesserungsgesetz in Kraft getreten sei, unterschieden worden sei, obwohl die Entscheidung gem. § 226 Abs. 4 FamFG ab dem 1.6.2014 wirksam sei.
Die Antragsgegnerin wies darauf hin, dass der Ausgleichswert von 5,7603 Entgeltpunkten falsch sei, weil sie mit der Mütterrente nur zwei zusätzliche Entgeltpunkte erhalten habe und diese nunmehr vollständig wieder abgeben müsse.
Auf einen Hinweis des Senats teilte die Deutsche Rentenversicherung Bund mit, die Erhöhung des Ehezeitanteils beruhe darauf, dass sie ihre Rechtsauffassung geändert habe. Anders als die Auskunft vom 22.5.2013 beruhe die Auskunft vom 19.11.2014 auf der tatsächlich bezogenen Vollrente wegen Alters. Während der Ehezeit seien beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten vorhanden. Bei der Ermittlung des Ehezeitanteils aus der tatsächlich bezogenen Rente würden hierbei auch nacheheliche Beitragszeiten berücksichtigt. Zudem seien bei den Auskünften aus der tatsächlich bezogenen Rente Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt (§ 262 SGB VI) berücksichtigt worden.
Die Antragsgegnerin stellt in Frage, ob die Deutsche Rentenversicherung nicht an den Antrag des Antragstellers gebunden sei, der nur eine Abänderung aufgrund der Mütterrente beantragt habe. Auch die Abänderungsklage nach § 323 ZPO eröffne keine Möglichkeit einer freie...