Entscheidungsstichwort (Thema)

Abänderung eines titulierten Kindesunterhalts

 

Leitsatz (amtlich)

Ist der Kindesunterhalt in einer Jugendamtsurkunde tituliert, kann die Abänderung aufgrund der nun gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse begehrt werden, wenn der titulierte Unterhalt materiell-rechtlich nicht mehr geschuldet ist, und zwar auch dann, wenn sich die tatsächlichen Umstände nicht wesentlich verändert haben. Dies gilt jedenfalls, wenn die Jugendamtsurkunde keine tatsächlichen Grundlagen enthält.

 

Verfahrensgang

AG Schwandorf (Beschluss vom 14.07.2003; Aktenzeichen 1 F 320/03)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG – FamG – Schwandorf vom 14.7.2003 aufgehoben.

II. Dem Antragsteller wird für seine Abänderungsklage vom 6.5.2003 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Ihm wird zur vorläufigen unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte Rechtsanwalt … beigeordnet.

 

Gründe

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für die Abänderung einer Jugendamtsurkunde über 128 % des Regelbetrages infolge fehlender Leistungsfähigkeit für die Bezahlung des titulierten Unterhalts.

Das AG hat Prozesskostenhilfe maßgebend deswegen versagt, weil sich die Grundlagen seit der Erstellung der Jugendamtsurkunden im Januar 2001 nicht erheblich verändert hätten. Die zulässige Beschwerde gegen diese Entscheidung ist auch sachlich begründet. Die Abänderung des mit Jugendamtsurkunde titulierten Unterhalts ist jedoch bei dem Abänderungsbegehren gem. § 323 Abs. 4, 1 ZPO, § 594 Abs. 1 Nr. 5 ZPO schon dann eröffnet, wenn der titulierte Unterhalt materiell-rechtlich nicht mehr geschuldet ist. Auf die Veränderung der früheren Verhältnisse kommt es demgegenüber jedenfalls dann nicht an, wenn diese Verhältnisse nicht in der Jugendamtsurkunde festgehalten wurden. § 323 Abs. 4 ZPO bestimmt nur die entspr. Anwendung der vorstehenden Vorschriften. Die Rechtskraftwirkung eines Urteils kommt einer Jugendamtsurkunde nicht zu. Daher ist für die Abänderung von Jugendamtsurkunden auf die materielle Rechtslage abzustellen (OLG München FamRZ 2002, 1371). Der Senat hat in einem Beschluss (OLG Nürnberg, Beschl. v. 17.10.2002 – 10 WF 3541/02, OLGReport Nürnberg 2003, 175) ausgeführt, dass die Schutzwirkung des Abs. 3 Jugendamtsurkunden nicht zukommt. Für die Voraussetzungen der Abänderbarkeit ist daher – jedenfalls bei fehlenden tatsächlichen Grundlagen in der Jugendamtsurkunde – nicht der Gedanke der Veränderung der Geschäftsgrundlage, sondern die materielle Rechtslage maßgebend (so wohl auch Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 323 Rz. 43).

Der Kläger hat schlüssig vorgetragen, aus welchen Gründen er eine Herabsetzung des Unterhalts begehrt. Das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren dient nicht dem Zweck, über zweifelhafte Rechts- und Sachfragen abschließend vorweg zu entscheiden. Der Umzug nach Regensburg und die dadurch erhöhten Fahrtkosten können jedenfalls nicht von vornherein als Obliegenheitsverstoß ggü. den unterhaltsberechtigten Kindern unberücksichtigt bleiben. Dafür spricht schon die nicht allzu hohe Fahrtstrecke von 27 Kilometern einfach. Eine Nebentätigkeit dürfte bei dem momentanen zeitlichen Umfang der ausgeübten Tätigkeit und dem Nebenbeschäftigungsverbot durch den Arbeitgeber nicht anzunehmen sein (BGH v. 9.7.2003 – XII ZR 83/00, BGHReport 2003, 1207 = MDR 2003, 1182 und BVerfG v. 5.3.2003 – 1 BvR 752/02, FamRZ 2003, 661).

Prozesskostenhilfe war daher unter Beiordnung von Rechtsanwalt … zu bewilligen. Ratenzahlung war aufgrund der Unterhaltslasten und Belastungen nicht anzuordnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1112507

FamRZ 2004, 1053

FuR 2004, 374

MDR 2004, 281

ZfJ 2004, 298

FamRB 2004, 115

JAmt 2004, 56

NJOZ 2004, 3041

OLGR-MBN 2004, 53

www.judicialis.de 2003

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