Leitsatz (amtlich)
1.
Das staatsanwaltliche Verfahren auf Absehen von der Vollstreckung bei Auslieferung oder Landesverweisung gemäß § 456a StPO ist Teil des Vollstreckungsverfahrens.
2.
Einem Verurteilten ist in diesem Verfahren in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 StPO bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Pflichtverteidiger beizuordnen. Bei der Prüfung ist hierbei auf die Schwere des Vollstreckungsfalles oder eine besondere Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Vollstreckungsverfahren abzustellen.
3.
Die Prüfung der Schwere des Vollstreckungsfalles oder einer besonderen Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Vollstreckungsverfahren hat sich im Verfahren gemäß § 456a StPO an dessen Prüfungsgegenstand zu orientieren, nämlich an der (anstehenden) Ermessensentscheidung der Vollstreckungsbehörde, die die Interessen des Verurteilten gegen die Gründe abzuwägen hat, die gegen ein Absehen von der Vollstreckung sprechen. Hierbei sind regelmäßig die Umstände der Tat, die Schwere der Schuld, die Dauer des bisher verbüßten Teils der Strafe, die persönliche Lage des Verurteilten sowie das öffentliche Interesse im Hinblick auf generalpräventive Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen und auch die familiäre und soziale Lage des Verurteilten zu berücksichtigen (ständige Senatsrechtsprechung).
4.
Zur Entscheidung über die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist die für den Haftort zuständige Strafvollstreckungskammer als Gericht im Sinne des § 141 Abs. 4 StPO unter dem Gesichtspunkt einer (lückenlosen) vollstreckungsrechtlichen Zuständigkeit (vgl. Ziff. 1) berufen (§ 462a StPO analog). Der Umstand, dass die Strafvollstreckungskammer in einem staatsanwaltlichen Verfahren gemäß § 456a StPO nicht mit einem Hauptverfahren befasst wird und auch eine künftige Anhängigkeit eines Verfahrens im Sinne des § 141 Abs. 4 StPO ausscheidet, hat mangels spezieller gesetzlicher Regelungen und des zu wahrenden Rechts auf ein faires Verfahren außer Betracht zu bleiben.
5.
Dem Verurteilten steht ein eigenes Antragsrecht auf Bestellung eines Pflichtverteidigers im Verfahren gemäß § 456a StPO zu.
Verfahrensgang
LG Regensburg (Entscheidung vom 24.07.2008; Aktenzeichen StVK 171/08) |
Tenor
Die Beschwerde des Verurteilten xxx gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing vom 24.7.2008 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer, früherer jugoslawischer Staatsangehöriger, wurde mit seit 17.1.1995 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts München I vom 31.3.1993 (Az. 10 Ks 122 Js 4624/91) wegen gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit gemeinschaftlichem schweren Raub unter Einbeziehung der mit Urteil des Amtsgerichts Erding vom 16.9.1992 verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten (1 Ls 38 Js 6471/72) zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, wobei die besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde.
Außerdem wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Bay. Obersten Landesgerichts vom 21.12.1994 (Az. 3 ST 5/95 AB ObJs 17/93) wegen versuchter schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 2.8.2006 - vom Beschwerdeführer erst nach Erlass der verfahrensgegenständlich angefochtenen Entscheidung vorgelegt - wurden die Entscheidungen nach § 462a Abs. 1 und 3 StPO gemäß § 462a Abs. 5 Satz 2 StPO an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing abgegeben.
Mit seit 19.4.2007 rechtskräftigem Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing vom 29.3.2007 wurde die Vollstreckung des Restes der mit Urteil des Landgerichts München I vom 31.3.1993 verhängten lebenslangen (Gesamt-)Freiheitsstrafe nach der Vollstreckung von 15 Jahren nicht zur Bewährung ausgesetzt und die Mindestverbüßungsdauer auf 18 Jahre festgesetzt.
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Verfügung vom 22.8.2007 angeordnet, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 21.12.1994 erst ab 19.9.2009 zur weiteren Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe unterbrochen wird (Bl. 413 d.A.). Der Ablauf der Mindestverbüßungsdauer der lebenslangen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts München 1 ist für 18.9.2012 vorgemerkt (Bl. 419 d.A.). Derzeit wird in der Justizvollzugsanstalt Straubing somit die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des BayObLG vollstreckt.
Mit Schreiben vom 8.4.2008, gerichtet an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing, hat der Verurteilte zur Vorbereitung und Durchführung eines Verfahrens auf Absehen von der weiteren Vollstreckung gemäß § 456a StPO die Beiordnung eines Verteidigers beantragt. Wegen der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen. In einem weiteren Schreiben vom 15.5.2008 hat der Verurteilte auf seine vollziehbare Ausweisung aus dem Bundesgebiet hingewiese...