Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeugnisverweigerungsrecht des minderjährigen Kindes. Entscheidungsbefugnis des allein sorgeberechtigten Ehegatten des Beschuldigten
Leitsatz (redaktionell)
Steht dem Ehegatten des Beschuldigten allein die gesetzliche Vertretung des zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten minderjährigen Kindes zu, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts alleine entscheiden. Eine Ergänzungspflegschaft kann ohne teilweisen Entzug der elterlichen Sorge nicht angeordnet werden.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1909; StPO § 52 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Ansbach (Beschluss vom 04.02.2010; Aktenzeichen 1 F 97/10) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der gesetzlichen Vertreterin des Kindes B. C. geb. 9.8.1997, wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Ansbach vom 4.2.2010 (Az. 1 F 97/10) aufgehoben.
Der Antrag der Staatsanwaltschaft bei dem LG Ansbach vom 1.2.2010 wird zurückgewiesen.
2. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 4.2.2010 hat das Familiengericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft Ansbach für das Kind C. B., geb. 9.8.1997, Ergänzungspflegschaft mit folgenden Wirkungskreisen angeordnet:
- a) Zustimmung zur Untersuchung des Kindes nach § 81c StPO über etwaige Verletzungen
- b) Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht für die behandelnden Ärzte des Kindes
- c) Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts gem. § 52 StPO
- d) Zustimmung zur Mitwirkung des Kindes bei der Erstattung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Glaubwürdigkeit
- e) die Aufenthaltsbestimmung in Bezug auf die oben angeführten Untersuchungshandlungen und Zeugenvernehmungen.
Zum Ergänzungspfleger wurde das Stadtjugendamt Ansbach bestellt.
Das Familiengericht stützt seine Entscheidung auf § 1909 BGB. Es führt zur Begründung im Wesentlichen aus:
Die Staatsanwaltschaft Ansbach führe ein Ermittlungsverfahren gegen C. B., geb. 16.8.1967, wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Kindes C. B., dessen allein sorgeberechtigte Mutter mit dem Beschuldigten verheiratet sei.
Da dem Kind ein Zeugnisverweigerungsrecht im Ermittlungsverfahren gegen den Ehemann seiner Mutter zustehe, sei in analoger Anwendung des § 52 Abs. 2 S. 2 StPO ein Ergänzungspfleger mit den genannten Wirkungskreisen zu bestellen.
Gegen den Beschluss des Erstgerichts vom 4.2.2010 hat die Kindesmutter Beschwerde eingelegt, mit der sie die Aufhebung der Entscheidung und die Zurückweisung des Antrages der Staatsanwaltschaft Ansbach erstrebt.
Sie ist der Auffassung, die Anordnung der Ergänzungspflegschaft könne nicht auf § 52 Abs. 2 S. 2 StPO gestützt werden, da diese Vorschrift den vorliegenden Sachverhalt nicht erfasse und auch einer analogen Anwendung nicht zugänglich sei.
Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, weil die Gründe des Beschlusses zutreffend seien.
II. Die Beschwerde ist zulässig.
Gegen die Entscheidung des Familiengerichts Ansbach findet die Beschwerde gem. §§ 58 ff. FamFG statt. Es handelt sich um eine Familiensache gem. §§ 111 Nr. 2, 151 Nr. 5 FamFG. Da keine Familienstreitsache i.S.d. § 112 FamFG vorliegt, findet § 117 FamFG keine Anwendung.
Die Beschwerde ist auch begründet. Denn die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft liegen nicht vor.
Ergänzungspflegschaft für Minderjährige kann nur angeordnet werden, soweit der Inhaber der elterlichen Sorge an deren Ausübung tatsächlich oder rechtlich verhindert ist (§ 1909 Abs. 1 BGB).
Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Sie kann auch nicht aus § 52 Abs. 2 StPO hergeleitet werden. Die Vorschrift regelt den Fall der rechtlichen Verhinderung, wenn der aussagebereite minderjährige Zeuge keine genügende Vorstellung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts hat und deshalb die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zur Vernehmung erforderlich ist.
Dem Kind C. B. steht ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO zu.
Die Entscheidung darüber, ob der minderjährige Zeuge schon die nötige Verstandesreife besitzt, um die Bedeutung und Tragweite eines Zeugnisverweigerungsrechts zu erfassen, ist vom Strafrichter, im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft zu treffen. Das Familiengericht ist insoweit an die Entscheidung der vernehmenden Stelle über die Frage der Verstandesreife des minderjährigen Zeugen gebunden (BayObLGZ 1997, 249). Die Staatsanwaltschaft Ansbach hat mit ihrem Antrag auf Anordnung einer Ergänzungspflegschaft zum Ausdruck gebracht, dass sie die erforderliche Verstandesreife des Kindes für die Entscheidung über die Ausübung seines Zeugnisverweigerungsrechts verneint. Daran ist der Senat gebunden.
Entgegen der Auffassung des Familiengerichts liegt jedoch keine rechtliche Verhinderung der Beschwerdeführerin i.S.d. § 52 Abs. 2 S. 2 StPO vor. Nach dieser Bestimmung kann der gesetzliche Vertreter über die Ausübung des Zeugnisver...