Leitsatz (amtlich)
1. Die Entscheidung eines ägyptischen Gerichts zur elterlichen Sorge kann in Deutschland anerkannt werden.
2. Zur Abänderung einer solchen Entscheidung nach § 1696 BGB.
Normenkette
BGB § 1696; FamFG §§ 108-109
Verfahrensgang
AG Regensburg (Aktenzeichen 201 F 2404/19) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 09.07.2020, Az. 201 F 2404/19, in Ziffer 1. abgeändert:
Der Antragstellerin werden in Abänderung des Urteils des Gerichts Hilwan, Familiengericht Maadi vom 29.01.2020, Az. 1207/2019, das Recht zur Aufenthaltsbestimmung, die Gesundheitsfürsorge, schulische Angelegenheiten und die Beantragung von Sozialleistungen für die Kinder ..., geb. 25.01.2011, ..., geb. 20.12.2012, und ..., 03.03.2014 allein übertragen.
Im Übrigen werden die Personensorge und die Vermögenssorge für die Kinder durch die Antragstellerin und den Antragsgegner zu 1. gemeinsam ausgeübt.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Der Antragstellerin wird untersagt, die Kinder ohne Zustimmung des Antragsgegners zu 1. außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland zu verbringen.
4. Die Anträge der Antragsgegner werden zurückgewiesen.
5. Gerichtskosten werden in beiden Instanzen nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
6. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. 1. Vorgeschichte:
Die Antragstellerin und der Antragsgegner zu 1 sind die seit 20.12.2009 miteinander verheirateten Eltern der Kinder ..., geb. 25.1.2011, A... .l, geb. 20.10.2012, und M... A., geb. 03.03.2014. Die Eltern leben getrennt; ein Scheidungsverfahren in Deutschland (Amtsgericht Regensburg, Az.: 201 F 1980/19) ist anhängig. Die Antragsgegnerin zu 2 ist die Schwester des Antragsgegners zu 1. Die Beteiligten und die Kinder sind ägyptische Staatsangehörige; die Antragstellerin hat auch die syrische Staatsangehörigkeit.
Geburtsland der Kinder und Heimatland der Familie ist Ägypten, wo die Antragsgegner leben. Die Kinder besuchten eine Privatschule in Kairo und waren dort sozial integriert. Die Familie pflegte einen für ägyptische Verhältnisse gehobenen Lebensstil. Die Kinder wurden von der nicht berufstätigen Antragstellerin betreut. Der Antragsgegner zu 1 ist Chefsteward bei einer Fluglinie; er war berufsbedingt immer wieder mehrere Tage von zu Hause abwesend. Die Antragsgegnerin zu 2 ist 59 Jahre alt und pensionierte Lehrerin.
Am 20.09.2018 reisten Eltern und Kinder mit einem Touristenvisum zu einem Verwandtenbesuch nach Deutschland ein. Der Vater flog am 02.10.2018 nach Kairo zurück; vereinbarungsgemäß sollte die Antragstellerin einige Tage später folgen. Als sie dies verweigerte, flog der Antragsgegner zu 1 am 10.11.2018 wieder nach Deutschland; die Eltern vereinbarten, dass die Antragstellerin Ende November 2018 mit den Kindern nach Kairo zurückkehren würde. Am 16.11.2018 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner zu 1 mit, sie habe politisches Asyl erhalten und werde nicht zurückkehren. Als der Antragsgegner zu 1 am 17.11.2018 erneut in Deutschland eintraf, waren Mutter und Kinder in der ANKER-Einrichtung für Asylbewerber in Regensburg untergebracht.
Die Asylanträge der Antragstellerin und der Kinder vom 15.11.2018 wurden mit Bescheid vom 18.01.2019 abgelehnt, weil weder Flüchtlingseigenschaft noch Asylberechtigung oder ein subsidiäres Schutzbedürfnis vorlägen. Über die Klage der Antragstellerin gegen den Ablehnungsbescheid ist noch nicht entschieden.
Mutter und Kinder wurden dann der Gemeinschaftsunterkunft in Mausheim und ab Juni 2019 der Gemeinschaftsunterkunft in Tegernheim zugewiesen. Im Mai 2019 zog die Mutter mit den Kindern nach Regensburg, obwohl ihr nur erlaubt war, eine Wohnung im Landkreis Regensburg zu nehmen; Hauptmieter der Wohnung war ihr Cousin (Herr A...), die Mutter Untermieterin. Mittlerweile wurde der Antragstellerin eine Wohnsitznahme in Regensburg genehmigt.
K... besuchte seit 24.06.2019 die Grundschule in W..., A... seit September 2019. Seit Oktober 2019 gehen sie in die Grundschule in R.... M... besuchte ab November 2019 einen Vorkurs Deutsch und ab Februar 2020 den Kindergarten. Im September 2020 wurde sie in die Grundschule in Regensburg eingeschult.
Weitere Verfahren:
In einem Verfahren der einstweiligen Anordnung, in dem wechselseitige Anträge zum Aufenthaltsbestimmungsrecht bzw. zur elterlichen Sorge gestellt wurden, schlossen die Eltern am 10.01.2019 (Az.: 201 F 2538/18) eine Vereinbarung, nach der der Antragsgegner zu 1 gegen Hinterlegung seines Passes Umgang mit den Kindern haben könne, wenn er in Deutschland sei. Die Anträge wurde mangels internationaler Zuständigkeit abgewiesen und zum Schutz der Kinder angeordnet, dass sie bei der Mutter verbleiben sollten. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hob der Senat mit Beschluss vom 10.04.2019 (Az.: 10 UF 124/19) die Verbleibensanordnung auf und ordnete eine bis 10.08.2019 befristete Grenzsperre gegen beide Eltern an, ausgenommen eine Rückführung...