Leitsatz (amtlich)
1. Voraussetzung für die Erteilung einer Alkoholabstinenzweisung ist, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Konsum von Alkohol zur Gefahr weiterer Straftaten beitragen wird. Bloße Mutmaßungen hierzu reichen nicht aus.
2. Dienten die Anlasstaten der Finanzierung des Betäubungsmittelkonsums, besteht bei dem Verurteilten keine Alkoholproblematik und war Alkoholkonsum für die Tatbegehung nicht ursächlich, genügt es zur Begründung einer Alkoholabstinenzweisung nicht, dass die theoretische Möglichkeit für eine Suchtverlagerung oder eine herabgesetzte Hemmschwelle für den weiteren Konsum illegaler Drogen durch vorangegangenen Alkoholkonsum besteht.
Normenkette
StGB § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
AG Ansbach (Aktenzeichen StVK 184/21) |
LG Ansbach (Entscheidung vom 23.11.2023) |
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 29.10.2020; Aktenzeichen 1 KLs 352 Js 4652/20) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ansbach vom 23.11.2023 aufgehoben, soweit ihm in Ziffer V. 2. die strafbewehrte Weisung erteilt wurde, sich jeglichen Konsums von Alkohol zu enthalten.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde des Verurteilten als unbegründet verworfen.
3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur weiteren Entscheidung, auch über die Kosten der Entscheidung über die Beschwerde, an das Landgericht Ansbach - Kleine Strafvollstreckungskammer - zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29.10.2020 (Az.: 1 KLs 352 Js 4652/20), rechtskräftig seit dem 06.11.2020, wurde der Beschwerdeführer wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier tateinheitlichen Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in einem Fall in Tateinheit mit Erwerb, sowie wegen tatmehrheitlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren zehn Monaten verurteilt. Zudem wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Dem Urteil lag zugrunde, dass der Verurteilte einen gewinnbringenden Handel mit Betäubungsmitteln (Haschisch und Methamphetamin) betrieb, um Drogen bzw. Geldmittel für den Erwerb von Drogen für den Eigenkonsum zu erlangen. Es wurde eine seit vielen Jahren bestehende schwere Abhängigkeit des Verurteilten von multiplen Substanzen mit den Präferenzen für Opiate, Cannabinoide und Stimulanzien, jedoch kein regelmäßiger Alkoholkonsum festgestellt.
Der Verurteilte befand sich seit 28.12.2020 zum Vollzug der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Bezirksklinikum Ansbach.
Mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ansbach vom 23.10.2023 wurden ab 15.12.2023 der weitere Vollzug der mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29.10.2020 angeordneten Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt sowie die weitere Vollstreckung der gegen ihn erkannten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Zudem stellte die Kammer fest, dass mit der Aussetzung der Unterbringung zur Bewährungsaufsicht Führungsaufsicht eintritt, kürzte deren Höchstdauer von fünf Jahren nicht ab, setzte die Bewährungszeit auf fünf Jahre fest und stellte den Verurteilten unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers. Unter Ziffer V. des Beschlusses erteilte die Kammer dem Verurteilten diverse strafbewehrte Weisungen.
Unter anderem ordnete sie in Ziffer V. 2. des Beschlusses strafbewehrt an:
"2. sich jeglichen Alkoholkonsums, des Konsums illegaler Drogen nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG), des Konsums von Substanzen nach dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG), sowie des Konsums anderer berauschender Mittel, die nicht ärztlich verordnet sind, insbesondere auch von Cannabis nach einer etwaigen Legalisierung, zu enthalten, § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB".
In den Gründen der Entscheidung werden die Ausführungen der Sachverständigen Reiter in ihrem rechtspsychologischen Gutachten vom 23.10.2023, soweit sie sich auf eine Alkohol- und Cannabisabstinenz beziehen, wie folgt wiedergegeben: "... Aufgrund der Exploration des Verurteilten könne gesagt werden, dass bei ihm hinsichtlich Opioiden Krankheitseinsicht und Abstinenzmotivation bestehe. Demgegenüber fehle es bezüglich Alkohol und Cannabinoiden an selbigem. Der Verurteilte habe die Möglichkeit einer Suchtverlagerung und herabgesetzten Hemmschwelle bezüglich des Konsums weiterer, illegaler Drogen durch den Konsum von Alkohol nicht nachvollziehen können. Bezüglich Cannabis habe er geltend gemacht, sich medizinisches Cannabis aufgrund der bei ihm bestehenden Schlafapnoe verschreiben lassen zu wollen. Aus gutachterlicher Sicht sei eine Verschreibung von medizinischem Cannabis als höchst kritisch anzusehen. Der Verurteilte h...