Leitsatz (amtlich)

1. Ein Arrestgrund für einen der Rückgewinnungshilfe dienenden strafprozessualen dinglichen Arrest ist nach § 111d Abs. 2 StPO, § 917 ZPO dann gegeben, wenn die Besorgnis besteht, dass ohne Arrestanordnung die künftige Vollstreckung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Hierzu ist eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalles auch dann erforderlich, wenn dem Beschuldigten eine gegen das Vermögen des Tatgeschädigten gerichtete Straftat zur Last liegt. Ein solcher Tatvorwurf kann zwar ein Indiz für die genannte Besorgnis darstellen, dem aber nicht die Wirkung einer (widerlegbaren) Vermutung zukommt.

2. Mit Aufhebung des strafprozessualen dinglichen Arrestes und der im Zusammenhang damit erfolgten bzw. gebotenen Rückgängigmachung der zugunsten des Staates erfolgten Vollstreckungsmaßnahmen entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für Anträge von Geschädigten auf Zulassung der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung in die gepfändeten Vermögensgegenstände.

3. Eine gegen die Ablehnung der Anträge von Geschädigten auf Zulassung der Arrestvollziehung gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist unzulässig.

 

Normenkette

StPO § 111d Abs. 21, § 111g Abs. 2 Sätze 1-2, § 304 Abs. 1; ZPO § 917

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 20.08.2012; Aktenzeichen 12 KLs 507 Js 1612/10)

 

Tenor

  • I.

    Die gegen Nr. I und II des Beschlusses des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20. August 2012 gerichtete (einfache) Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wird als unbegründet verworfen.

  • II.

    Die gegen Nr. IV und V des Beschlusses des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20. August 2012 gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wird als unzulässig verworfen.

  • III.

    Die gegen Nr. V des Beschlusses des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20. August 2012 gerichteten sofortigen Beschwerden der Antragsteller R..., F... und A ... werden als unbegründet verworfen.

  • IV.

    Die Beschwerdeführer R..., F... und A... haben jeweils die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

 

Gründe

A.

1. Der Angeklagte T... war Geschäftsführer der G... mbH. Außerdem ist er geschäftsführender Direktor und zugleich Alleingesellschafter der T... Limited mit dem Sitz in B..., Vereinigtes Königreich, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht (private company limited by shares), die am 2.6.2010 gegründet und im Companies House of C... unter Nr. ... eingetragen worden ist. Das Stammkapital beträgt 1.000,00 GBP. Im Handelsregister des Amtsgerichts Fürth ist unter HRB ... eine Zweigniederlassung der T... Limited mit dem Sitz in O... und der Geschäftsanschrift ... O..., F.... ..., eingetragen. Gegenstand des Unternehmens der Zweigniederlassung ist die Beratung, Vermittlung und Handelsvertretung von Produkten und Dienstleistungen im Bereich der alternativen Energien für Privathaushalte und Industrie, sowie Marketing, Schulungs- und Seminarwesen.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth (künftig auch: Staatsanwaltschaft) legt (verkürzt dargestellt) in der Anklageschrift vom 25.3.2012 dem Angeklagten T... sowie weiteren zwölf Angeklagten zur Last, auf der Grundlage eines gemeinsam gefassten Entschlusses zur fortgesetzten Tatbegehung in der Zeit vom November 2009 bis November 2010 in insgesamt 1.547 Fällen Kapitalanleger durch bewusst wahrheitswidrige Angaben und falsche Versprechungen zum Kauf von sogenannten Blockheizkraftwerken zur Sicherung einer dauerhaften Erwerbsquelle veranlasst zu haben, um den Großteil der in der Folge bezahlten Kaufpreise ohne Gegenleistung für sich zu vereinnahmen. Um den Geschädigten einen real existierenden, erfolgreich operierenden Geschäftsbetrieb vorzuspiegeln, hätten die Angeklagten einen umfangreichen Firmenkomplex geschaffen, den sie selbst als "G...-Group" bezeichneten. Die Anlagegelder seien bis Juli 2010 über ein sogenanntes Einnahmenkonto der G... mbH bei der A-bank AG entgegen genommen worden, danach über ein Konto der B-bank AG der G... E... AG.

Die Weiterverteilung der Anlagegelder sei über ein umfangreiches Netz an Konten erfolgt, die die Angeklagten für verschiedene von ihnen gegründete Unternehmen aber auch für sich selbst privat eröffnet hätten, um nach und nach über unterschiedliche Kanäle an den Anlagegeldern, die ihnen großteils als "Provisionen" oder Umsatzbeteiligungen zugeflossen seien, zu partizipieren. In diesem Zusammenhang habe der Angeklagte T... am 2.6.2010 die T... Limited gegründet.

2. Mit Beschluss vom 25.11.2010 (58 Gs 19304/10) hat das Amtsgericht Nürnberg - Ermittlungsrichter - (künftig auch: Amtsgericht) gemäß § 111b Abs. 2 und Abs. 5, §§ 111d, 111e Abs. 1 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2, § 73a StGB sowie § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Abs. 5, § 25 Abs. 2, § 53 StGB zur Sicherung der den Verletzten aus der Straftat erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche für den Freistaat Bayern, vertreten durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth - Gläubiger - den dinglichen Arrest in Höhe von 29.439.512 EUR in das Vermögen des Angeklagten T... angeordnet. Der ...

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