Leitsatz (amtlich)

1. Befindet sich der Beschuldigte zum Zweck der Auslieferung im Ausland in Auslieferungshaft, führen dortige menschenunwürdige Haftbedingungen nicht zur Unverhältnismäßigkeit des nationalen Haftbefehls.

2. Die Dauer der Auslieferungshaft ist bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des nationalen Haftbefehls zu berücksichtigen (Anschluss an KG Berlin, Beschluss vom 15.03.2019, 4 Ws 24/19).

 

Normenkette

StPO § 112

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 14.09.2021; Aktenzeichen 59 Gs 4258/21)

AG Nürnberg (Entscheidung vom 19.04.2021; Aktenzeichen 59 Gs 3712/21)

 

Tenor

  • I.

    Die weitere Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14.09.2021, mit dem seine Beschwerde gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 19.04.2021 als unbegründet verworfen wurde, wird als unbegründet verworfen.

  • II.

    Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

Gegen den Beschuldigten besteht ein Haftbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 19.04.2021, der Grundlage eines am 06.05.2021 erlassenen Europäischen Haftbefehls ist. Der Beschuldigte wurde am 04.06.2021 in A.... festgenommen und befindet sich dort aufgrund des gestellten Auslieferungsersuchens in Auslieferungshaft, nach Angaben seines Verteidigers in der Haftanstalt K.......

Mit Beschluss vom 14.09.2021 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 19.04.2021 als unbegründet verworfen.

Mit Schreiben seines Verteidigers vom 20.09.2021 hat der Beschuldigte weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 14.09.2021 eingelegt und diese begründet. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Beschluss vom 21.10.2021 der Beschwerde nicht abgeholfen.

Mit Schreiben vom 29.10.2021 beantragte die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg die Beschwerde als unzulässig, hilfsweise unbegründet, kostenfällig zu verwerfen.

Über seinen Verteidiger hatte der Beschuldigte Gelegenheit, zu dem dem Verteidiger am 08.11.2021 übermittelten Antrag der Generalstaatsanwaltschaft bis 15.11.2021 Stellung zu nehmen. In seiner Stellungnahme vom 15.11.2021 rügt der Verteidiger im Wesentlichen die Verwertung der EncroChat-Daten, die Nichteröffnung der getroffenen Entscheidungen an den Beschuldigten persönlich, die Einschränkung der Verteidigung durch Akteneinsicht lediglich in Bl. 1 bis 207 der Ermittlungsakten, die Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes sowie die Nichtberücksichtigung der albanischen Haftbedingungen.

II.

Das Rechtsmittel des Beschuldigten ist als weitere Haftbeschwerde statthaft und zulässig (§§ 304 Abs. 1, 306 Abs. 1, 310 Abs. 1 StPO), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Beschuldigte ist der im Haftbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 19.04.2021 bezeichneten Taten dringend verdächtig (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO). Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen des Haftbefehls und des Beschlusses des Landgerichts vom 14.09.2021 und die dort benannten Beweismittel Bezug.

Ein Beweisverwertungsverbot, wie vom Verteidiger unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 01.07.2021 (525 KLs 254 Js 592/20 (10/21) - zitiert nach juris) vorgetragen, besteht nicht. Der Senat teilt insoweit die Rechtsauffassung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 29.04.2021 (2 Ws 47/21 - zitiert nach juris), macht sich diese zu eigen und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vollumfänglich Bezug. Nachdem zwischenzeitlich auch die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 01.07.2021 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 29.04.2021 und weiterer Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte vom Kammergericht Berlin auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin mit Beschluss vom 02.09.2021 (2 Ws 79/21, 2 Ws 93/21, vgl. Hinweis vom 02.09.2021 in juris) aufgehoben und die dortige Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet wurde, bedarf es zusätzlicher Ausführungen seitens des Senats zu der Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 01.07.2021 und der darauf gestützten Argumentation der Verteidigung im vorliegenden Haftbeschwerdeverfahren nicht.

2. Bei dem Beschuldigten besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Dem Beschuldigten wird unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (1 kg Kokain) und unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (3 kg Kokain) zur Last gelegt. Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wird gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft. Ihm droht deshalb bei einer Verurteilung eine erhebliche Freiheitsstrafe.

Seine sozialen Bindungen sind nicht geeignet bei dem drohenden Freiheitsentzug die bestehende Fluchtgefahr entscheidend zu verringern. Dass der Beschuldigte vor sei...

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