Leitsatz (amtlich)

1. Auch Kapitalvermögen, das der Altersvorsorge dient, ist im Rahmen der Prozesskostenhilfe als Vermögen grundsätzlich einzusetzen, soweit es nicht gem. § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII als staatlich gefördertes Altersvorsorgevermögen (Riester-Rente) geschützt ist.

2. Deshalb stellt eine Kapitallebensversicherung, deren Wert das Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO übersteigt, grundsätzlich, auch wenn sie für eine (zusätzliche) Altersvorsorge bestimmt ist, prozesskostenhilferechtlich relevantes Vermögen dar.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 115 Abs. 3; SGB XII § 90 Abs. 2 Nrn. 2, 9

 

Verfahrensgang

AG Nürnberg (Urteil vom 23.05.2007; Aktenzeichen 104 F 3671/06)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 09.06.2010; Aktenzeichen XII ZB 55/08)

 

Tenor

1. Der Antrag des Beklagten, ihm für die Durchführung des Berufungsverfahrens gegen das Endurteil des AG - FamG - Nürnberg vom 23.5.2007 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Beklagte begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung gegen das Endurteil des AG - FamG - Nürnberg vom 23.5.2007, mit dem er zur Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt verurteilt wurde. Er macht geltend, er sehe sich nicht in der Lage, die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aus eigenen Mitteln aufzubringen. Der berufstätige Beklagte (Nettoeinkommen 2.565 EUR) bezieht eine monatliche "Compensation" des US-amerikanischen Staates i.H.v. 1.511 US-Dollar. Zudem hat er eine Kapitallebensversicherung. Aus dem auf Nachfrage vorgelegten Beleg der Sparkassen-Versicherung beträgt deren Rückkaufswert zum 1.2.2008 12.722 EUR. Die Lebensversicherung wurde im Juli 1990 mit einer Versicherungssumme von 50.000 DM abgeschlossen. Sie läuft bis 1.7.2022. Der Beklagte macht geltend, die Lebensversicherung (mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung) sei als zusätzliche Altersversorgung abgeschlossen worden. Das Ablaufdatum sei so gewählt, dass die Versicherung mit seiner Lebensarbeitszeit im 65. Lebensjahr ende. Eine vergleichbare Versicherung sei auch für die Klägerin abgeschlossen worden. Er habe außer bei der Social Security USA nur Rentenanwartschaften bei der Deutschen Rentenversicherung, keine betriebliche Altersversorgung.

II. Dem Beklagten kann Prozesskostenhilfe für die Berufung gegen das Endurteil des AG Nürnberg vom 23.5.2007 nicht gewährt werden, weil er nicht bedürftig im Sinne der §§ 114, 115 ZPO ist. Es kann dahinstehen, ob die "Compensation" als Einkommen zu berücksichtigen ist, da der Beklagte gem. § 115 Abs. 3 ZPO einzusetzendes Vermögen in Form einer Kapitallebensversicherung hat. Deren Rückkaufswert von 12.722 EUR übersteigt das zu belassende Schonvermögen von 2.600 EUR zuzüglich 256 EUR für jede Person, die von der nachfragenden Partei überwiegend unterhalten wird. Der Einsatz der Lebensversicherung ist dem Beklagten zuzumuten, da sie vorzeitig aufgelöst, verkauft oder beliehen werden kann.

1. Eine Kapitallebensversicherung bzw. deren (Rückkaufs-)Wert stellt Vermögen dar und ist deshalb grundsätzlich einzusetzen. Ob dies auch dann der Fall ist, wenn die Lebensversicherung der (zusätzlichen) Altersvorsorge dient, wird in der Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. So hat z.B. das OLG Frankfurt (FamRZ 2006, 135) entschieden, dass eine Lebensversicherung jedem anderen Vermögenswert, welcher ebenfalls eine hinreichende Altersvorsorge sichern soll, gleichsteht und deshalb deren Einsatz regelmäßig gem. § 115 Abs. 2 S. 1 ZPO unzumutbar ist (so auch Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 115 Rz. 59).

Dagegen vertritt die wohl überwiegende Meinung die Auffassung, eine Lebensversicherung müsse verwertet werden, bevor die Allgemeinheit in Form von Prozesskostenhilfe in Anspruch genommen wird. Dies gelte auch dann, wenn sie der Alterssicherung diene, da auch ein solches Kapitalvermögen einzusetzen ist, soweit es nicht gem. § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII als staatlich gefördertes Altersvorsorgevermögen (Riester-Rente) geschützt ist. Unverwertbarkeit komme nur dann in Betracht, wenn die Verwertung im Einzelfall eine unzumutbare Härte § 115 Abs. 3 ZPO, § 90 Abs. 3 S. 2 SGB XII darstellt (vgl. z.B. OLG Brandenburg FamRZ 2006, 1174; OLG Zweibrücken OLGR Zweibrücken 2008, 11; OLG Nürnberg FamRZ 2006, 1284; 2007, 1338; Musielak/Fischer, ZPO, 5. Aufl. § 115 Rz. 48; ausführlich zum Meinungsstand: OLG Brandenburg im Beschluss vom 8.1.2008, 9 UF 2077/07 - juris).

Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Gemäß § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII muss nur Kapital, das der zusätzlichen Altersvorsorge i.S.d. § 10a oder Abschnitts XI des Einkommenssteuergesetzes dient, nicht eingesetzt werden, wenn seine Ansammlung staatlich gefördert wurde. Daraus folgt, dass eine nicht geförderte Altersvorsorge grundsätzlich zur Finanzierung eines Prozesses heranzuziehen ist. Auch aus der Anerkennung zusätzlicher Altersvorsorgeaufwendungen in Unterhaltsverfahre...

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