Leitsatz (amtlich)

Im Verfahren über die Kostentragungspflicht eines Privatklageverfahrens können zulässigerweise keine Schuldfeststellungen getroffen oder Aufklärungshandlungen in Bezug auf die Schuldfrage vorgenommen werden, wenn das Verfahren zum Zeitpunkt der Einstellung noch nicht bis zur Schuldspruchreife gediehen war.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 01.09.2008)

 

Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 1. September 2008 wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

2. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 1. September 2008 hinsichtlich der in Ziff. II und III getroffenen Entscheidungen aufgehoben und die Sache zu erneuten Entscheidung an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Nürnberg hat nach Durchführung eines "Sachaufklärungstermins" am 26.6.2006 in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss vom 30.6.2006 unter Ziffer I das am 4.4.2006 gegen den Angeklagten eingeleitete Privatklageverfahren gemäß § 383 Abs. 2 StPO eingestellt und unter Ziffer II dem Angeklagten gemäß § 471 Abs. 3 Nr. 2 StPO die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Privatklägers auferlegt. Die allein gegen die Kostenentscheidung unter Ziffer II erhobene sofortige Beschwerde des Angeklagten wurde mit Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.7.2006 als unbegründet verworfen.

Mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.1.2008 (Az. 2 BvR 1975/06) wurden auf die Verfassungsbeschwerde des Angeklagten der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 30.6.2006 und der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.7.2006 hinsichtlich der zu den Kosten und Auslagen getroffenen Entscheidungen wegen Verletzung des Grundrechtes des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Kosten des Privatklageverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen. Das Bundesverfassungsgericht beanstandete, dass das Amtsgericht Nürnberg und das Landgericht Nürnberg-Fürth die Kostenentscheidung jeweils entgegen der im Grundgesetz verankerten Unschuldsvermutung mit Feststellungen zur Schuld begründet hatten, obwohl das Verfahren nicht in einer Hauptverhandlung bis zur Schuldspruchreife gediehen gewesen war.

Mit Beschluss vom 7.2.2008 eröffnete das Amtsgericht Nürnberg daraufhin das Hauptverfahren und ließ die Privatklage vom 4.4.2006 nach Maßgabe eines näher bezeichneten Sachverhalts zur Hauptverhandlung zu. Aufgrund einer am 25.2.2008 entsprechend den §§ 243 ff. StPO ausgestalteten und durchgeführten Hauptverhandlung erging gegen den Angeklagten ein Urteil mit folgendem Tenor:

"I. Der Angeklagte ist schuldig der Verleumdung.

II. Das Verfahren wird eingestellt.

III. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens - einschließlich der notwendigen Auslagen des Privatklägers zu tragen."

Gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 25.2.2008 legte der Angeklagte mit Schriftsatz vom 27.2.2008 Berufung, hilfsweise sofortige Beschwerde ein.

Mit Urteil vom 1.9.2008 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth mit folgendem Tenor entschieden:

"I. Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 25.02.2008 in Ziffer I. aufgehoben.

II. Die weitergehende Berufung des Angeklagten, mit der er sich gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts wendet, wird als unbegründet verworfen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Privatkläger und der Angeklagte je zu Hälfte. Auslagen des Privatklägers und des Angeklagten im Berufungsverfahren werden nicht erstattet.

Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 8.9.2009, der beim Landgericht Nürnberg-Fürth am selben Tag einging, Revision, hilfsweise sofortige Beschwerde ein, die mit weiterem Schriftsatz vom 24.10.2008 begründet wurde. Er beantragt:

"I. Das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 25.02.2008, Az. 48 Bs 290/06 N wird in II. und III. mit sämtlichen Feststellungen und das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 01.09.2008 wird in II. und III. mit sämtlichen Feststellungen aufgehoben.

II. Der Angeklagte wird freigesprochen.

III. Dem Privatkläger werden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten auferlegt."

hilfsweise

"I. Das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 25.02.2008, Az. 48 Bs 290/06 N wird in II. und III. mit sämtlichen Feststellungen und das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 01.09.2008 wird in II. und III. mit sämtlichen Feststellungen aufgehoben.

II. Das Verfahren wird eingestellt.

III. Dem Privatkläger werden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten auferlegt."

Der Privatkläger hält mit Gegenerklärung vom 24.11.2008 die Revision mangels Beschwer für unzulässig.

II.

1. Die Revision des Angeklagten ist gemäß § 349 Abs. 1 StPO mangels Beschwer als unzulässig zu verwerfen.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat auf die Berufung des Angekla...

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