Leitsatz (amtlich)
Bei einer Verfahrensverbindung nach § 4 StPO braucht die Staatsanwaltschaft eine Anklage nicht um ein wesentliches Ergebnis der Ermittlungen zu ergänzen, wenn vor der Verbindung gemäß § 200 Abs. 2 Satz 2 StPO davon abgesehen werden durfte, dieses Ergebnis darzustellen.
Normenkette
StPO §§ 4, 200 Abs. 2, § 209 Abs. 2, § 225a
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 06.12.2012; Aktenzeichen 14 Ns 804 Js 9803/10) |
Tenor
1.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 6. Dezember 2012 wird als unbegründet verworfen.
2.
Der Angeklagte trägt die Kosten der Revision und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin, soweit sie ihr durch die Revision entstanden sind.
Gründe
I.
1. Das Amtsgericht - Schöffengericht - Nürnberg hat den Angeklagten am 17. Januar 2012 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, Bedrohung, Diebstahls und Nötigung in zwei besonders schweren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten sowie zu einer Schmerzensgeldzahlung von 2.000,00 Euro an die Adhäsionsklägerin M... A... verurteilt.
Auf die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Nürnberg-Fürth das Urteil des Amtsgerichts am 6. Dezember 2012 dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte einer vorsätzlichen Körperverletzung, einer Bedrohung und eines Diebstahls schuldig sei; vom Vorwurf einer Nötigung in zwei besonders schweren Fällen hat es ihn freigesprochen. Das Strafmaß hat das Landgericht auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren ermäßigt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Das Schmerzensgeld hat das Landgericht auf 1.500,00 Euro herabgesetzt. Im übrigen hat es die Berufungen verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei lückenhaft, da es sich nicht hinreichend mit der Einlassung des Angeklagten auseinandergesetzt habe. In einer Gegenerklärung zur Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft bringt die Revision ferner vor, das Landgericht habe es unterlassen, die Glaubwürdigkeit der Zeugin M... A... "in besonderer Weise zu überprüfen".
Außerdem macht sie ein Verfahrenshindernis geltend: Einer der beiden Anklageschriften, die dem Verfahren zugrundelägen, fehle das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen; sie sei daher unwirksam. Hintergrund ist, dass die abgeurteilten Taten ursprünglich in einem anderen Verfahren verfolgt wurden. In diesem Verfahren war eine Anklage zum Strafrichter erhoben worden, in der die Staatsanwaltschaft zulässigerweise davon abgesehen hatte, das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen darzustellen (§ 200 Absatz 2 Satz 2 StPO). Der Strafrichter legte die Sache dann - nach Erlass des Eröffnungsbeschlusses - "gemäß § 225a StPO" dem Schöffengericht des Amtsgerichts vor. Beim Schöffengericht war bereits ein anderes Verfahren gegen den Angeklagten anhängig wegen zweier Delikte der Nötigung in besonders schweren Fällen zum Nachteil derselben, auch im Ausgangsverfahren Geschädigten. Aufgrund dieses persönlichen Zusammenhanges meinte der Strafrichter, es sei "die gemeinsame Sachbehandlung vor dem Schöffengericht sinnvoll". Das Schöffengericht übernahm das Ausgangsverfahren dann auch "gemäß § 225a StPO" und verband es mit dem Verfahren wegen Nötigung unter dessen Aktenzeichen. Ferner sprach es den Angeklagten wegen sämtlicher angeklagter Delikte schuldig. Vor dem Landgericht wurde er von den Vorwürfen der Nötigung freigesprochen und allein wegen derjenigen Taten verurteilt, welche die Staatsanwaltschaft in dem Ausgangsverfahren zum Strafrichter angeklagt hatte (ohne ein wesentliches Ergebnis der Ermittlungen mitzuteilen).
II.
Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs.1, 344, 345 StPO), aber unbegründet (§ 349 Absatz 2 StPO). Das angefochtene Berufungsurteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
1. Es besteht kein Verfahrenshindernis. Eine wirksame Anklage liegt vor.
a) Es kann dahinstehen, ob es eine Anklageschrift unwirksam macht, wenn sie ein wesentliches Ergebnis der Ermittlungen enthalten müsste und dieser Teil fehlt (bejahend OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 109 [f.]; noch weiter gehend OLG Schleswig NStZ-RR 1996, 111 [f.]: Unwirksamkeit schon, wenn ein wesentliches Ergebnis der Ermittlungen zwar mitgeteilt wird, es sich aber "im wesentlichen" darin erschöpft, den Anklagesatz wiederzugeben und die Beweisgrundlage nur "formelhaft" darzustellen). Zwar neigt der Senat dazu, auch in einem solchen Fall dem Grundsatz zu folgen, dass Mängel allein in der Informationsfunktion einer Anklage sie nicht unwirksam machen können (BGHSt. 57, 138 Rn. 6 mit weiteren Nachweisen, ständige Rechtsprechung; ausdrücklich offen lässt diese Frage allerdings BGHSt. 40, 390 [392] für Fälle, in denen die Anklageschrift entgegen § 200 Absatz 2 StPO kein wesentliches Ermittlungsergebnis mitteilt und der Angeklagte deshalb - auch unter Berücksichtigung des Akteninhalts - keine Möglichkeit hat zu erkennen, auf welche Beweisgrundlage sich ...