Leitsatz (amtlich)
Bei dem Pflichtehrensold nach dem bayerischen Gesetz über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen handelt es sich um ein auszugleichendes Anrecht nach § 2 Abs. 1 VersAusglG, da er Versorgungscharakter hat und auf Arbeit beruht.
Normenkette
KWBG Art. 59 Abs. 1 S. 1; VersAusglG § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
AG Erlangen (Aktenzeichen 6 F 939/21) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Erlangen vom 15.10.2021 im Tenor zu 1 aufgehoben und der Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin
a) eine rückständige Ausgleichsrente in Höhe von 4.590,40 Euro zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 459,04 Euro ab 01.05.2021,
aus weiteren 459,04 Euro ab 01.06.2021,
aus weiteren 459,04 Euro ab 01.07.2021,
aus weiteren 459,04 Euro ab 01.08.2021,
aus weiteren 459,04 Euro ab 01.09.2021,
aus weiteren 459,04 Euro ab 01.10.2021,
aus weiteren 459,04 Euro ab 01.11.2021,
aus weiteren 459,04 Euro ab 01.12.2021,
aus weiteren 459,04 Euro ab 01.01.2022 und
aus weiteren 459,04 Euro ab 01.02.2022
b) ab dem 01.03.2022 monatlich eine Ausgleichsrente in Höhe von 459,04 EUR zu zahlen, zahlbar monatlich im Voraus.
II. Der Antragsgegner wird verpflichtet, mit Wirkung ab dem 01.03.2022 den Anspruch gegen die Mitgliedsgemeinde G... d... V... Heßdorf, H.Str. 5, als Versorgungsträgerin auf Zahlung eines monatlichen Pflichtehrensoldes in Höhe von 459,04 Euro im Monat an die Antragstellerin abzutreten.
III. Für das Beschwerdeverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben; Auslagen sind nicht zu erstatten.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich hinsichtlich des Pflichtehrensoldes ihres geschiedenen Ehemannes, des vormaligen Ersten Bürgermeisters der Gemeinde H. [Name abgeändert], welchen er seit dem 01.05.2021 in Höhe von 1.612,09 EUR monatlich vor Abzug von Steuern bezieht.
Die am [...] geborene Antragstellerin und der am [...] geborene Antragsgegner haben am [...]1979 vor dem Standesbeamten des Standesamtes H. [Name abgeändert] die Ehe geschlossen. Auf den am 08.08.2012 zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde die Ehe mit Endbeschluss des Amtsgerichts Erlangen vom 14.06.2017 geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt.
Laut diesem Endbeschluss, hinsichtlich des durchgeführten Versorgungsausgleichs rechtskräftig seit 28.07.2017, bleiben eventuelle Ausgleichsansprüche aus dem Ehrensold aus der Tätigkeit des Antragsgegners als Bürgermeister dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten. Die Beteiligten hatten zuvor im Termin vom 14.06.2017 vereinbart, zwischen den Parteien bestehe Einigkeit, "dass der Ehrensold des Antragsgegners aus seiner Bürgermeistertätigkeit im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs ausgeglichen wird".
Der Antragsgegner wurde im Frühjahr 2002 in H. [Name abgeändert] zum Ersten Bürgermeister gewählt und zweimal nach jeweils sechs Jahren wiedergewählt; seine Amtszeit dauerte insgesamt 18 Jahre, vom 01.05.2002 bis zum 30.04.2020. Der Antragsteller ist nunmehr bei seinem Sohn mit einem monatlichen Einkommen von 500,00 EUR angestellt. Hiervon werden Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Er wird die Regelaltersgrenze im Dezember 2022 erreichen.
Die Antragstellerin ist erwerbsunfähig und in einer Pflegeeinrichtung untergebracht. Sie erhält eine Rente wegen voller Erwerbsminderung der Deutschen Rentenversicherung.
Mit Schriftsatz vom 06.08.2021 hat die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, den Ausgleichswert der Versorgung Ehrensold abzüglich der auf diesen entfallenden Sozialversicherungsbeiträgen und vergleichbaren Aufwendungen monatlich im Voraus als Rente ab 01.05.2021 für die Zeit ab 02.05.2021 zuzüglich Zinsen bis zum Erlass einer Entscheidung zu bezahlen, sowie für die Zeit ab dem 01. des auf die Rechtskraft der Entscheidung folgenden Monats den Anspruch gegen die Mitgliedsgemeinde H. [Name abgeändert] auf Zahlung einer entsprechenden Rente an sie abzutreten. Vorgerichtlich hatte sie den Antragsgegner mit Schriftsatz vom 16.04.2021 darauf hingewiesen, dass ab dem 01.05.2021 hinsichtlich dieses Ehrensolds sämtliche Voraussetzungen des § 20 VersAusglG vorlägen und ihn aufgefordert, der Antragstellerin ab dem 01.05.2021 monatlich 975,00 Euro zu bezahlen.
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, und dies damit begründet, dass der Ehrensold kein ausgleichspflichtiges Recht im Sinne des § 2 VersAusglG sei. Das bayerische KWBG enthalte keine Zweckbestimmung dahingehend, dass der Ehrensold der Alterssicherung dienen solle. Es handele sich um keine Versorgungsleistung, sondern eine Art Treueprämie, die einer Entschädigung näherkomme als einer Altersversorgung und zudem nicht durch Arbeit des Ehegatten ausgelöst werde. Ehrenamtliche Tätigkeiten erfolgten vielmehr unentgeltlich. Der Ehrensold sei...