Leitsatz (amtlich)
Besondere Umstände des konkreten Einzelfalles können trotz des in Haftsachen zu beachtenden Beschleunigungsgebotes eine Haftfortdauer über 9 Monate hinaus rechtfertigen (im Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 29.03.2007, Az.: BvR 489/07).
Nachgehend
Tenor
Gründe
Der Beschuldigte befindet sich aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Fürth vom 15.07.2006 wegen dringenden Verdachts des versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung seit 15.07.2006 in Untersuchungshaft.
Das Oberlandesgericht hat bereits mit Beschluss vom 26 01.2007 über die Fortdauer der Untersuchungshaft entschieden. Diesen Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 29.03.2007 2 BvR 489/07 aufgehoben. Deshalb ist erneut über die Fortdauer der Untersuchungshaft gemäß §§ 121,122 StPO zu entscheiden, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Untersuchungshaft nunmehr über neun Monate andauert. Das Amtsgericht Fürth hat mit Beschluss vom 11.01.2007 die Haftfortdauer für erforderlich gehalten; die Staatsanwaltschaft hält ebenfalls die Haftfortdauer für erforderlich.
Die Fortdauer der Untersuchungshaft ist anzuordnen.
Der Beschuldigte ist des im genannten Haftbefehl umschriebenen strafrechtlichen Sachverhalts dringend verdächtig. Der Beschuldigte war ebenso wie der Zeuge ... in den 80er Jahren aus ... in die damalige DDR gekommen; nach der Wiedervereinigung waren sie nach Fürth gezogen. Im Februar/März 2006 hatte der Beschuldigte dem Zeugen und dessen Frau auf Bitte des Zeugen gestattet, während Renovierungsarbeiten in der Wohnung des Zeugen die Dusche beim Beschuldigten zu nutzen. Danach war es wiederholt zu Sachbeschädigungshandlungen gegen die Eheleute ... gekommen. Dem Beschuldigten liegt zur Last, am 13.07.2006 nachts an einer Tankstelle 0,9 Liter Benzin gekauft zu haben, die er in eine mitgebrachte Kunststoffflasche füllte, und dann dieses Benzin im Treppenhaus vor der Wohnungstür der Familie ... ausgeschüttet zu haben und das Benzin in Brand gesetzt zu haben. Da das Treppenhaus aus Holz gefertigt war, besteht weiter dringender Verdacht, dass der Beschuldigte eine für die Familie ... tödliche Ausbreitung erwartete und herbeiführen wollte und dass er auch den Tod anderer Hausbewohner billigend in Kauf nahm. Am 14.07.2006 erklärte der Beschuldigte hierzu bei der Polizei, das Ehepaar habe in seinem Bad afrikanische Tradition gemacht (Zauber), so dass er nicht mehr habe schlafen können, schlechte Träume und Ohrenschmerzen gehabt habe. Demgegenüber meint der Zeuge ... das Motiv könne Eifersucht (oder Neid) gewesen sein.
Wegen weiterer Einzelheiten des Tatgeschehens, der rechtlichen Qualifizierung der Sachverhalts und der Beweismittel wird auf den Haftbefehl, den Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 04.09.2006 über die Verwerfung einer Haftbeschwerde und den Schlussbericht der Kriminalpolizeiinspektion Fürth vom 0103.2007 Bezug genommen.
Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Beschuldigte muss damit rechnen, dass er wegen der ihm zur Last gelegten Straftat zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt wird und diese Strafe verbüßen muss. Daraus ergibt sich für ihn ein erheblicher Anreiz, sich dem Strafverfahren zu entziehen.
Die sozialen Bindungen des geschiedenen Beschuldigten können die Fluchtgefahr nicht hinlänglich mindern. Die Ihm zur Last liegende Tat, für die ein reales Motiv nicht ersichtlich ist, lässt auch unbeherrschte und maßlose Reaktionen auf das Verfahren, insbesondere Flucht oder Untertauchen besorgen. Er stammt aus ... hat dieses Land noch im Jahr 2000 oder 2001 besucht (Aussage des Zeugen ... ) und könnte dorthin fliehen. Darüber hinaus ist der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO gegeben, weil ein Verbrechen wider das Leben den Gegenstand des Verfahrens bildet und Fluchtgefahr bei der hohen Straferwartung nicht ausgeschlossen werden kann (vielmehr zu bejahen ist). Nach Sachlage kann der Haftzweck, der auch der Sicherung der Strafvollstreckung dient, nur durch Haftfortdauer erreicht werden; weniger einschneidende Maßnahmen (§ 116 StPO) reichen nicht aus.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird durch die Haftentscheidung nicht in Frage gestellt (§ 120 Abs. 1 S. 1 StPO), auch wenn die bisherige Gesamtdauer der Untersuchungshaft von etwa neun Monaten berücksichtigt wird.
Die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist gerechtfertigt, weil ein wichtiger Grund i. S. v. § 121 Abs. 1 StPO ein Urteil noch nicht zugelassen hat und die Fortdauer der Haft rechtfertigt. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen ist nicht verletzt.
1.
Der Umfang der bis zur Entscheidung über die Anklageerhebung notwendigen Ermittlungen bestimmt sich zum einen nach dem Gegenstand des Verfahrens, zum andern nach dem Zwec...