Leitsatz (amtlich)
Wird ein auswärtiger Rechtsanwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe ohne ausdrückliche Beschränkung i.S.d. § 121 Abs. 3 ZPO beigeordnet, umfasst die nach § 55 RVG zu gewährende Vergütung grundsätzlich auch die zur Wahrnehmung von Terminen anfallenden Reisekosten des Rechtsanwaltes.
Normenkette
RVG §§ 46, 48, 55; ZPO § 121 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Beschluss vom 24.09.2007; Aktenzeichen 108 F 3015/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des AG Nürnberg vom 24.9.2007 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom 18.9.2006 hat Rechtsanwalt B aus L für die in F wohnhafte Antragstellerin einen Antrag auf Regelung des Umgangs mit dem Kind T C, geb. am 12.4.2000, gestellt und zugleich Prozesskostenhilfe und seine Beiordnung als Bevollmächtigter beantragt.
Mit Beschluss vom 15.11.2006 hat das AG - FamG - Nürnberg der Antragstellerin Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt M B aus L - ohne Einschränkungen - beigeordnet.
"In den im Verlauf des Verfahrens durchgeführten Verhandlungsterminen vom 9.3. und 8.5.2007 ist die Antragstellerin jeweils durch Rechtsanwalt B vertreten worden."
In der Verhandlung vom 8.5.2007 ist das Verfahren durch eine Vereinbarung zum Umgang beendet worden.
Mit Schriftsatz vom 23.5.2007 hat Rechtsanwalt B die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen inclusive seiner Reisekosten im Zusammenhang mit den Terminen vom 9.3. und 8.5.2007 mit insgesamt 1.009,14 EUR geltend gemacht.
Mit Beschluss des zuständigen Kostenbeamten am AG Nürnberg vom 11.6.2007 ist die Vergütung auf 810,99 EUR festgesetzt worden.
Die Berücksichtigung der Reisekosten ist unter Berufung auf § 91 Abs. 2 ZPO abgelehnt worden, da nicht dargetan sei, dass die Beauftragung eines Rechtsanwaltes, dessen Kanzlei 230 km vom Gerichtsort entfernt ist, notwendig gewesen sei.
Auf die von Rechtsanwalt B gegen diese Entscheidung eingelegte Erinnerung hat das AG Nürnberg mit Beschluss vom 24.9.2007 den Beschluss des AG Nürnberg vom. 11.6.2007 abgeändert, dem Antragstellervertreter die geltend gemachten Reisekosten zuerkannt und den an ihn zu zahlenden Betrag auf 967,49 EUR festgesetzt (beantragte 1.009,14 EUR - 35 EUR Beratungskostenanteil +MWst).
In seinem Beschluss, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat das AG die Beschwerde zugelassen.
Gegen den ihm am 8.10.2007 zugestellten Beschluss hat der Bezirksrevisor beim AG Nürnberg mit einem am 9.10.2007 eingegangenen Schreiben vom 8.10.2007 Beschwerde eingelegt.
Er beantragt, den Beschluss aufzuheben und die Vergütung, wie vom Kostertbeamten am 11.6.2007 festgesetzt, ohne Berücksichtigung von Reisekosten auf 810,99 EUR festzusetzen.
Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.
Das AG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 9.10.2007 nicht abgeholfen.
II. Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des AG Nürnberg vom 24.9.2007 ist gem. § 56 Abs. 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG statthaft und auch ansonsten zulässig (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG). Zwar wird der Wert des Beschwerdegegenstands von 200 EUR nicht erreicht. Das AG hat die sofortige Beschwerde jedoch zugelassen (§ 33 Abs. 3 Satz 2 RVG). Daran ist das Beschwerdegericht gebunden (§ 33 Abs. 4 Satz 4 RVG).
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil Rechtsanwalt B gem. § 48 RVG i.V.m. § 4 6 RVG einen Anspruch auch auf die geltend gemachten und ihm im angefochtenen Beschluss des AG zugebilligten Reisekosten hat.
Der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts bestimmt sich gem. § 48 Abs. 1 RVG nach dem Beschluss, durch den die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Da im vorliegenden Fall der Prozesskostenhilfe bewilligende Beschluss vom 15.11.2006 eine das Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO beachtende Beschränkung etwa in der Weise, dass die Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts erfolgt, nicht enthält, sind grundsätzlich auch die Reisekosten des beigeordneten auswärtigen Rechtsanwaltes festzusetzen (in diesem Sinne etwa auch OLG Celle vom 20.3.2007 - 23 W 31/07 = m.w.N. sowie OLG Oldenburg, FamRZ 2004, 706).
Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Reisekosten - auf der Grundlage der erfolgten Beiordnung des auswärtigen Rechtsanwaltes - zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich wären (§ 46 Abs. 1 RVG). Davon, dass die Vertretung der Antragstellerin in den vom AG anberaumten Terminen durch den ihr beigeordneten Rechtsanwalt nicht erforderlich war, kann aber nicht ausgegangen werden.
Mit dem OLG Celle (a.a.O.) ist der Senat der Auffassung, dass die unbeschränkte und nicht angefochtene Prozesskostenhilfe-entscheidung vom 15.11.2006 - als Kostengrundentscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich bindend und einer Überprüfung entzogen ist und - weder aufgrund § 121 ZPO direkt noch aufgrund der Entscheidung des BGH vom 10.10.2006 (FamRZ 2007, 37) dahin ausgelegt werden kann, dass er - entgegen seinem Wortlaut - eine Einschränkung dahingehend enthält, dass die Beiordnung des Rechtsanwa...