Entscheidungsstichwort (Thema)
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts A. vom 12. Mai 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts A. zurückverwiesen.
Gründe
I. Das Amtsgericht S. hat die Angeklagte am 24.8.2009 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt und ihr verboten für die Dauer von einem Monat im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.
Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte, beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch, Berufung eingelegt.
Das Landgericht A. hat mit Urteil vom 12.5.2010 die Berufung der Angeklagten kostenfällig mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf 45 Euro festgesetzt wird.
Mit ihrer Revision rügt die Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 SPO) und hat mit der Sachrüge (zumindest vorläufigen) Erfolg, weil das Landgericht zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung ausgegangen ist.
Auch ohne eine entsprechende Verfahrensrüge hat das Revisionsgericht zu prüfen, ob ein mit der Revision angefochtenes Berufungsurteil über alle Entscheidungsbestandteile des vorausgegangenen amtsgerichtlichen Urteils befunden hat. Aus diesem Grund ist vom Revisionsgericht, wenn, wie hier, das Berufungsgericht wegen der vom Berufungsführer erklärten Berufungsbeschränkung (§ 318 StPO) sich nur mit einzelnen Teilen des Ersturteils befasst hat, auch nachzuprüfen, ob und inwieweit die Berufung rechtswirksam auf diese Teile beschränkt ist (BayObLGSt 1999, 99; Ruß, in KK StPO, 5. Aufl., § 318 Rdn. 1).
Das Landgericht ist in seiner Entscheidung vom 12.5.2010 von einer wirksamen Beschränkung der Berufung ausgegangen, da die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil den Schuldspruch tragen und den Unrechtsgehalt und den Schuldumfang der Taten in ausreichendem Maße erkennen lassen würden.
Grundsätzlich ist der Rechtsfolgenausspruch allein anfechtbar. Das gilt jedoch nur dann, wenn die Feststellungen eine ausreichende Grundlage für die Strafzumessung ergeben. Dies ist hinsichtlich des verhängten Fahrverbots nicht der Fall.
Die Rechtsmittelbeschränkung war daher nicht wirksam.
Nach dem Berufungsurteil (BU S. 3) hat das Amtsgericht in seinem Urteil folgenden Sachverhalt festgestellt:
“Die Angeklagte stieß am 04.08.2008 gegen 12.00 Uhr auf dem Parkplatz des Baumarktes T. in B. mit ihrem Einkaufswagen gegen den in der Nähe des Haupteingangs geparkten Pkw S., amtliches Kennzeichen xxx, der Geschädigten J.K., wobei der linke Bereich des (der) Heckklappe dieses Fahrzeugs (Fahrzeugs) an zwei Stellen eingedellt wurde, wodurch ein Schaden in Höhe von 1.142,28 Euro entstand.
Obwohl die Angeklagte den Anstoß bemerkte und erkannte bzw. zumindest billigend in Kauf nahm, dass ein nicht völlig unbedeutender Fremdschaden entstanden war, verließ sie die Unfallstelle, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen."
Diese Feststellungen bilden keine ausreichende Grundlage für die Strafzumessung. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen zwar den Schuldspruch des unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Sie ermöglichen aber keine Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbots. Nach § 44 StGB kann ein solches verhängt werden, wenn jemand “im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers" eine Straftat begeht. Feststellungen, wie die Angeklagte zur Unfallstelle gekommen ist, was sie dort gemacht hat, als es zum Unfallereignis kam, oder wie sie die Unfallstelle wieder verlassen hat, trifft das Amtsgericht nicht.
Das Berufungsgericht stellt zwar in seinem Urteil (BU S. 6) ergänzend zum Sachverhalt fest, dass sich die Angeklagte “nach dem Anstoß mit dem Einkaufswagen gegen den Pkw der Geschädigten J.K. mit dem von ihr auf dem Parkplatz des Baumarktes geparkten Pkw" entfernte. Solche Feststellungen waren dem Berufungsgericht aber, da es eine wirksame Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch angenommen hatte, verwehrt.
Durch die angenommene rechtswirksame Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch wäre der Schuldspruch des Ersturteils in Rechtskraft erwachsen. Damit wären neben den Feststellungen des Erstgerichts, in denen die Merkmale des angewandten Strafgesetzes zu finden sind, auch die weitergehenden Feststellungen zum Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs einschließlich der Tatsachen, aus denen der Beweis hierfür abgeleitet worden ist, für das weitere Verfahren bindend festgelegt. Wegen der Notwendigkeit des Zusammenhangs und der Einheitlichkeit des Urteils unterliegen dieser Bindungswirkung auch die doppelrelevanten Tatsachen, die für den Schuld-, aber auch für den Strafausspruch von Bedeutung sind (BayObLGSt 1988, 173 unter Hinweis auf BGHS...