Leitsatz (amtlich)
Eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO durch Einlegen des zuzustellenden Schriftstücks in den Briefkasten ist in analoger Anwendung des § 178 Abs. 2 ZPO unwirksam, wenn der Briefkasten vom Zustellungsempfänger und vom Prozessgegner gemeinsam benutzt wird.
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Beschluss vom 29.01.2004; Aktenzeichen 157 FH 198/03) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 1.3.2004 wird der Beschluss des AG - FamG - Nürnberg vom 29.1.2004 (Az.: 157 FH 198/03) aufgehoben.
Das Verfahren wird an das AG - FamG - Nürnberg zurückverwiesen.
II. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren beträgt 14.154 Euro.
Gründe
I. Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute und Eltern der drei minderjährigen Kinder A.A., geb. 1986, B.A., geb. 1988, und Y.A., geb. 1990. Beide Parteien wohnen im Anwesen H. in N.
Am 31.10.2003 hat der Antragsteller, vertreten durch seine Verfahrensbevollmächtigten, beim AG - FamG - Nürnberg beantragt, den Unterhalt, den die Antragsgegnerin für die drei minderjährigen Kinder zu zahlen hat, im vereinfachten Verfahren auf 150 % gemäß den Altersstufen der Regelbetrag-Verordnung ab 1.9.2003 festzusetzen. Mit Beschluss vom 29.1.2004 hat das AG - FamG - Nürnberg dem Antrag entsprochen. Sowohl der Antrag als auch der Beschluss wurden der Antragsgegnerin am 13.12.2003 bzw. 30.1.2004 im Wege der Ersatzzustellung gem. § 180 ZPO durch Einlegen des zuzustellenden Schriftstückes in den Briefkasten zugestellt. Die Zustellungsaufträge enthielten in beiden Fällen keinen Hinweis darauf, dass eine Ersatzzustellung an den Antragsteller ausgeschlossen ist.
Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 1.3.2004, bei Gericht eingegangen am 1.3.2004, hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 29.1.2004 eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der abgelaufenen Beschwerdefrist beantragt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragsgegnerin keinesfalls ein Einkommen von 5.000 Euro habe. Es fehle sowohl hinsichtlich des Antrages als auch hinsichtlich des angefochtenen Beschlusses an einer ordnungsgemäßen Zustellung, da diese Schriftstücke durch Einlegen in den gemeinsam genutzten Hausbriefkasten in den Besitz des Antragstellers gelangt und ihr nicht ausgehändigt worden seien. Zumindest rechtfertige dieses Verhalten des Antragstellers die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Insoweit beruft sich die Antragsgegnerin zur Glaubhaftmachung auf eine eidesstattliche Versicherung vom 1.3.2004.
II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Die sofortige Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 ZPO). Denn die am 29.1.2004 vorgenommene Ersatzzustellung durch Einlage des zuzustellenden Schriftstückes in den gemeinsamen Briefkasten der Parteien ist gem. § 178 Abs. 2 ZPO unwirksam. Zwar wird im älteren Schrifttum überwiegend die Auffassung vertreten, dass eine Ersatzzustellung durch Niederlegung nicht ausgeschlossen sei, wenn die zu hinterlassende Mitteilung durch Einwurf in den gemeinsamen Briefkasten geschieht (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 185 ZPO Rz. 1; Wenzel in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 185 ZPO Rz. 1). Auch hat es die Rechtsprechung für zulässig erachtet, eine Ersatzzustellung in der Form vorzunehmen, dass die schriftliche Mitteilung über die Niederlegung einem in der Nachbarschaft wohnenden Angehörigen des Prozessgegners ausgehändigt wird (OLG Celle, Nds.Rpfl. 1989, 294). Diese Literatur und Rechtsprechung ist jedoch zu § 185 ZPO a.F. ergangen. Das Zustellungsrecht ist durch das Zustellungsreformgesetz vom 25.6.2001 völlig neu geordnet worden. Nach § 185 ZPO a.F. ("verbotene Ersatzzustellung") hatte die Zustellung an eine der in den §§ 181, 183, 184 Abs. 1 bezeichneten Personen zu unterbleiben, wenn die Person an dem Rechtsstreit als Gegner der Partei, an welche die Zustellung erfolgen soll, beteiligt ist. Eine Ersatzzustellung durch Einlegen des zuzustellenden Schriftstückes in den Briefkasten (jetzt § 180 ZPO) war zum damaligen Zeitpunkt nicht vorgesehen. Aus der enumerativen Aufzählung in § 185 ZPO a.F. hat das OLG Celle geschlussfolgert, dass eine Ersatzzustellung durch Niederlegung in der Form zulässig ist, dass das Schriftstück bei einer amtlichen Stelle niedergelegt wird und eine schriftliche Mitteilung hierüber am Ort der versuchten Zustellung hinterlassen wird (§ 182 ZPO a.F. entsprechend nunmehr § 181 ZPO). Anders als früher in § 185 ZPO ist die verbotene Ersatzzustellung jetzt nicht mehr in einer gesonderten Bestimmung enthalten. § 178 ZPO enthält nunmehr in Abs. 1 unter Nrn. 1. bis 3. eine Aufzählung der Personen, denen ein Schriftstück im Wege der Ersatzzustellung zugestellt werden kann, wenn der Zustellungsempfänger selbst nicht angetroffen wird. In § 178 Abs. 2 ZPO ist bestimmt, dass die Zustellung an eine der in Abs. 1 bezeichneten Personen unwirksam ist, wenn diese an dem Rechtsstreit als Gegner der Person, der zugestellt werden s...