Leitsatz (amtlich)
1. Beim Zusammentreffen der Vollstreckung von Freiheitsstrafen und Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aus verschiedenen Erkenntnisverfahren ist ein deutlicher Vorrang der Heilung gegenüber dem Strafaspekt zu beachten.
2. Das Gebot der an größtmöglicher Flexibilität orientierten Handhabung der Vollstreckungsreihenfolge mit dem Ziel, die Straftäter möglichst schnell der therapeutischen Behandlung zuzuführen, findet jedoch seine Grenze an der gesetzlichen Wertung der §§ 67 Abs. 5 S. 1 StGB i. V. m. 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 StGB und der gesetzlichen Möglichkeit, die Vollstreckung einer Strafe oder Reststrafe überhaupt zur Bewährung auszusetzen.
3. Das Gnadenverfahren ist grundsätzlich der gerichtlichen Kontrolle entzogen und kann daher kein tragfähiges Entscheidungskriterium bei der gerichtlichen Bestimmung der Grenzen der Ermessensentscheidung sein.
Normenkette
EGGVG § 23; StVollstrO § 44b; StGB §§ 64, 67 Abs. 5, § 57 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 08.07.2013; Aktenzeichen 7 KLs 353 Js 5329/13) |
Tenor
- Der Antrag des Verurteilten A... S... gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg vom 10. Juli 2014 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
- Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
- Der Geschäftswert wird auf 5000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 08.07.2013 im Verfahren 7 KLs 353 Js 5329/13, rechtskräftig seit 04.12.2013, wurde A... S... wegen Betäubungsmittelstraftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt. Daneben wurden seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und ein Vorwegvollzug von 1 Jahren und 6 Monaten angeordnet.
Weiterhin steht eine Strafe von 8 Monaten wegen Beleidigung u. a. aus dem Urteil des Amtsgerichts Würzburg vom 07.01.2008 im Verfahren 162 Ds 871 Js 22418/07, rechtskräftig seit 15.01.2008, zur Verbüßung an, bezüglich derer die ausgesetzte Bewährung widerrufen wurde.
Ferner wurde A... S... mit Urteil des Amtsgerichts Erlangen vom 03.07.2012 im Verfahren 9 Ls 903 Js 141616/12, rechtskräftig seit 12.03.2013, wegen gemeinschaftlicher Freiheitsberaubung mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt.
Mit Entscheidung vom 05.02.2014 legte die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth die Vollstreckungsreihenfolge derart fest, dass zunächst die zuletzt genannte Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten bis zum Zweidrittelzeitpunkt vollstreckt werde und im Anschluss daran die widerrufene Freiheitsstrafe von 8 Monaten ebenfalls bis zum Zweidritteltermin. Danach ist der angeordnete Vorwegvollzug von 1 Jahr und 6 Monaten vorgesehen. Erst dann komme es zur Vollstreckung der angeordneten Unterbringung.
Am 01.06.2014 beantragte der Verurteilte die Änderung der Vollstreckungsreihenfolge dahingehend, dass sich die Unterbringung unmittelbar an den angeordneten Vorwegvollzug anschließen solle.
Mit Verfügung vom 27.06.2014 hielt die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth an der festgelegten Vollstreckungsreihenfolge fest.
Mit Bescheid vom 10.07.2014 hat die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg die Einwendungen des Verurteilten gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth zurückgewiesen. Bezug genommen wird auf die Gründe des genannten Bescheides.
Mit Schreiben vom 22.07.2014 beantragte der Verurteilte die gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg vom 10.07.2014. Bezug genommen wird auf die Ausführungen des Verurteilten in seinen Schreiben vom 01.06.2014, 28.06.2014, 30.06.2014, 22.07.2014 und 10.08.2014.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach § 23 Abs. 1 und 2 EGGVG statthaft, wurde gemäß § 26 Abs. 1 EGGVG form- und fristgerecht eingelegt und ist auch nach § 24 Abs. 2 EGGVG zulässig, da das erforderliche Vorschaltverfahren (§ 21 StVollstrO) durchgeführt worden ist. Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Aus § 44 b StVollstrO folgt kein Anspruch des Verurteilten auf Änderung der Vollstreckungsreihenfolge. Vielmehr steht die Anwendung dieser Vorschrift im Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Der Verurteilte hat aber ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die gerichtliche Prüfung im Rahmen der §§ 23 ff. EGGVG beschränkt sich danach darauf, ob der Antrag frei von Rechtsfehlern abgelehnt wurde, insbesondere nicht die Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder von dem Ermessen einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 28 Abs. 3 EGGVG).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft bezogen auf die Festsetzung der Vollstreckungsreihenfolge nicht zu beanstanden.
1.
Das Gebot der an größtmöglicher Flexibilität orientierten Handhabung der Vollstreckungsreihenfolge mit dem Ziel, die Straftäter möglichst schnell der therapeutischen Behandlung zuzuführen (sogleich a)), findet seine Grenze an der gesetzlichen Wertung der §§ 67 Abs. 5 S. 1 StGB i. V. m. 57...