Leitsatz (amtlich)
1. Auch beim Kauf einer Altbauwohnung (hier: Einzelwohnung eines vom Verkäufer erst noch grundlegend zu sanierenden Anwesens) kann es für den beurkundenden Notar geboten sein, die mögliche Notwendigkeit einer Baugenehmigung ins Auge zu fassen und bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen.
2. Versäumt es der Notar pflichtwidrig, das Vorliegen einer Baugenehmigung als Fälligkeitsvoraussetzung in den Kaufvertrag aufzunehmen, und leistet der Käufer darauf hin Teilzahlungen, die er andernfalls wegen Fehlens der Baugenehmigung nicht geleistet hätte, dann hat der Notar den Schaden. zu ersetzen, den der Käufer dadurch erleidet, dass sich die Vorausleistungen wegen Insolvenz des Verkäufers als nutzlos erweisen.
3. Zur Zurechenbarkeit eines Schadens (Schutzzweck der verletzten Norm; Reserveursache; rechtmäßiges Alternativverhalten).
Normenkette
BGB § 249; MaBV §§ 3, 12
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 4 O 5157/00) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 15.1.2001 wie folgt geändert:
1. Dem Antragsteller wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt.
2. Zu seiner Vertretung wird ihm Rechtsanwalt … (München) beigeordnet, jedoch mit der Maßgabe, dass durch die Beiordnung dieses auswärtigen Anwalts keine höheren Kosten als durch die Beiordnung eines Nürnberger Anwalts entstehen dürften.
II. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2, § 567 ZPO).
Sie ist auch im Wesentlichen begründet; denn die beabsichtigte Klage bietet nach vorläufiger Bewertung der Sach- und Rechtslage die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche, aber auch ausreichende Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO).
I. Das LG hat Prozesskostenhilfe aus zwei Gründen abgelehnt: Zum einen habe der Antragsgegner in Nr. Vb des notariellen Vertrages auf die Gefahr vorzeitiger Kaufpreiszahlungen ausdrücklich hingewiesen (1). Zum anderen könne man ihm den konkret eingetretenen Schaden selbst dann nicht zurechnen, wenn es fehlerhaft gewesen sein sollte, dass die Aufnahme einer an § 3 Abs. 1 Nr. 4 MaBV angelehnten Vertragsbestimmung in den notariellen Vertrag unterblieben ist (2).
Mit dieser Begründung kann jedoch der beabsichtigten Klage die nach § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden.
1. Mit einer Belehrung, die sich in den allgemein gehaltenen Hinweisen nach Nr. Vb des notariellen Vertrages erschöpft, hätte der Antragsgegner seine Hinweis- und Belehrungspflichten nicht erfüllt.
a) Folgt man der angeführten Klausel, so wies der Notar zwar auf „die Gefahr vorzeitiger Kaufpreiszahlungen und vorzeitiger Verwendungen” hin. Wann eine Kaufpreiszahlung oder Verwendung vorzeitig ist, geht aber aus dem Hinweis in Nr. Vb nicht hervor, jedenfalls nicht unmittelbar und insb. ohne einen Zusammenhang mit der umstrittenen Frage der Baugenehmigung.
Die Gesamtschau ergibt jedoch, dass eine Kaufpreiszahlung gemeint ist, die vor Eintritt der im notariellen Vertrag bestimmten Fälligkeitsvoraussetzungen erfolgt, vor allem also
- vor Eintragung der Auflassungs-Vormerkung,
- vor Sicherstellung der Lastenfreistellung,
- vor Genehmigung der Sanierungsstelle und
- vor der Bestätigung des Notars über das Vorliegen dieser Voraussetzungen (vgl. Vertrag Nr. VIII, Seite 13 oben), ferner
- vor Erreichen der vertraglich festgelegten Fälligkeitszeitpunkte für die einzelnen Kaufpreisraten (Nr. VIII, Seite 13 unten).
All diese Voraussetzungen hat der Antragsteller beachtet.
b) Um die im Vertrag ausdrücklich genannten, vom Antragsteller beachteten Fälligkeitsvoraussetzungen geht es hier jedoch gerade nicht. Vielmehr wirft der Antragsteller dem Antragsgegner vor, eine zusätzliche Fälligkeitsvoraussetzung nicht in die Vertragsurkunde aufgenommen zu haben, nämlich das Vorliegen einer Baugenehmigung. Deren Einbeziehung als weitere Fälligkeitsvoraussetzung hält der Antragsteller schon wegen der risikobehafteten Vertragsgestaltung für geboten, darüber hinaus aber auch nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 MaBV i.V.m. § 13 MaBV. Zumindest aber – so der Antragsteller – hätte ihn der Antragsgegner über die mögliche Notwendigkeit einer Baugenehmigung aufklären und ihn entsprechend belehren müssen.
Die Feststellung des Antragstellers, wonach die notarielle Urkunde keinerlei Hinweis auf das mögliche Erfordernis einer Baugenehmigung enthält, trifft zu. Dies stellt auch der Antragsgegner nicht in Abrede. Der Antragsgegner nimmt nicht einmal für sich in Anspruch, das Problem der Baugenehmigung bei den Beurkundungs-Verhandlungen mündlich angesprochen, geschweige denn, es vertieft oder den Antragsteller über drohende Gefahren belehrt zu haben.
Vielmehr meint der Antragsgegner – heute wie damals –, dass eine Baugenehmigung überhaupt nicht erforderlich sei, und wenn doch, dann habe er dies nicht erkennen können. Zum einen bedürfe die Renovierung einer Einzelwohnung, wie sie der Antragsteller erworben habe...