Leitsatz (amtlich)

1. Trotz der Darlegungs- und Beweislast der Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2, § 116 AktG, "die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt zu haben", trifft die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast für den behaupteten Schaden und dessen Verursachung durch ein Verhalten des Geschäftsleiters in dessen Pflichtenkreis, das überhaupt als pflichtwidrig in Betracht kommt, sich insoweit als "möglicherweise" pflichtwidrig darstellt.

Gelingen der Gesellschaft die Darlegung und gegebenenfalls der Beweis dieser Umstände, ist es Sache des verklagten Vorstandsmitglieds, seinerseits darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass dessen Verhalten nicht pflichtwidrig oder schuldhaft gewesen ist oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre (im Anschluss an BGH, Urt. v. 4.11.2002 - II ZR 224/00, BGHZ 152, 280).

2. Bei einer wertneutralen Handlung (hier: Reisekostenerstattung für eine Geschäftsreise), welche als solche keinen ausreichenden Anhaltspunkt dafür liefert, dass das Vorstandsmitglied bei Vornahme der Handlung auch nur "möglicherweise" seine Pflichten als Geschäftsleiter verletzt hat, hat die Gesellschaft weitere Umstände und Indiztatsachen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, die zumindest den Anschein begründen, dass das Verhalten des Vorstandsmitglieds pflichtwidrig gewesen sein könnte.

 

Normenkette

AktG § 93 Abs. 2 S. 1, § 93 S. 2, § 116

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 28.02.2013; Aktenzeichen 1 HK O 10801/11)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 28.2.2013, Aktenzeichen 1 HK O 10801/11, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziff. 1 genannte Urteil des LG Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 44.414,33 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadensersatz wegen erstatteter Reisekosten aus dessen Tätigkeit als ihr Vorstand.

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft. Der Beklagte ist Mitbegründer der Klägerin und nach wie vor ihr Aktionär. Der Beklagte war auch Mitglied des Vorstands der Klägerin. Anfang des Jahres 2008 wurde er als Vorstand abberufen und es wurde sein Anstellungsvertrag mit der Klägerin außerordentlich gekündigt. In der Zeit vom 20.10.2007 bis 20.3.2008 hatte der Beklagte - nach den Feststellungen des Erstgerichts - als Vorstand der Klägerin mehrere Reisen nach Asien unternommen. Hierfür hatte er Kosten i.H.v. 44.414,33 EUR aufgewendet, welche ihm von der Klägerin erstattet worden waren.

Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte die Asienreisen nicht in ihrem Interesse, sondern im Eigeninteresse durchgeführt habe. Der Beklagte habe geplant, wesentliche Vermögenswerte der Klägerin, nämlich Quellcodes und die von ihr entwickelte Software, an sich zu bringen und so die Klägerin zu "entkernen".

Das LG wies die auf Rückzahlung eines Betrags i.H.v. 44.414,33 EUR gerichtete Klage mit Endurteil vom 28.2.2013 (Bl. 172 ff. d.A.) ab. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Bereicherungsanspruch bestehe nicht, weil die von der Klägerin aufgeführten Umstände, wenn man sie als richtig unterstellt, weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtheit für die Behauptung der Klägerin sprächen, dass der Beklagte die Asienreise allein im Eigeninteresse unternommen habe. Aus den gleichen Gründen stehe der Klägerin auch kein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung zu.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin. Sie ist insbesondere der Ansicht, dass das LG rechtsfehlerhaft einen Schadensersatzanspruch aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht erwogen habe. Nach der Rechtsprechung des BGH reiche es aus, dass die Gesellschaft eine mögliche Pflichtverletzung darlege und beweise. Diese Möglichkeit sei hier allein damit nachgewiesen worden, dass der Beklagte in seinem Pflichtenkreis unstreitig eine Auszahlung der geltend gemachten Reisekosten an sich selbst veranlasst habe. Auf den Nachweis weiterer Indiztatsachen für die Pflichtwidrigkeit komme es überhaupt nicht an.

Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:

1. Das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 28.2.2013 - 1 HK O 10801/11, wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 44.414,33 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3. Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2.: Die Sache wird an das LG Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

Der Beklagte beantragt:

Zurückweisung der Berufung

Es wird ergänzend auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil gem. § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO Bezug genommen.

II. Die Berufung ist gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ...

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