Entscheidungsstichwort (Thema)

Homosexualität keine "schwere Härte"

 

Leitsatz (amtlich)

Die nach langjähriger Ehe offenbarte Homosexualität rechtfertigt ohne das Hinzutreten besonderer Umstände nicht die Annahme einer "schweren Härte" i.S.d. § 1565 Abs. 2 BGB. Auch aus dem AGG ist nichts anderes herzuleiten.

 

Normenkette

BGB § 1565 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Regensburg (Beschluss vom 17.11.2006; Aktenzeichen 204 F 1951/06)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - FamG - Regensburg vom 17.11.2006 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt die Scheidung der am 21.3.1975 geschlossenen Ehe, aus der zwei in den Jahren 1982 und 1986 geborene Kinder stammen, nach nur kurzer Trennung (derzeit gut zwei Monate), infolge offen zu Tage getretener Homosexualität des Antragsgegners.

Sie beantragt, ihr für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Das AG hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Allein die nun eingestandene Homosexualität des Antragsgegners reiche nicht aus, einen Härtegrund i.S.d. § 1565 Abs. 2 BGB anzunehmen, hierzu würden auch die vorgetragenen konkreten Besonderheiten nicht ausreichen. Schließlich stehe das "Antidiskriminierungsgesetz" einer anderen Beurteilung entgegen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Die unzumutbare Härte möge sich zwar nicht aus der Homosexualität des Antragsgegners ergeben, bei einer Einzelfallbetrachtung lägen derartige Gründe jedoch vor. Die Eheleute und Kinder lebten in einer kleinen Gemeinde im Einzugsbereich von ... die Ehefrau (... in Teilzeit) sei in ihrem sozialen Ansehen betroffen. Das gelte auch für die aus der Ehe stammenden Töchter, auch wenn diese bereits volljährig seien. Deshalb könne ihr nicht zugemutet werden, bis zum Ablauf des Trennungsjahrs zuzuwarten. Soweit das AG auch das "Antidiskriminierungsgesetz" für seine Entscheidung angeführt habe, sei dies deswegen unrichtig, weil gem. § 19 Abs. 4 AGG das Gesetz auf familien- und erbrechtliche Schuldverhältnisse keine Anwendung finde.

II. Der Senat teilt die Rechtsauffassung des AG, dass allein aus der offenbarten Homosexualität des Antragsgegners eine schwere Härte i.S.d. § 1565 Abs. 2 BGB nicht herzuleiten ist und auch die konkreten Umstände eine derartige Härte nicht erkennen lassen. Das OLG Köln hat schon mit Beschluss vom 13.3.1996 (OLG Köln v. 13.3.1996 - 27 WF 17/96, MDR 1996, 1263 = OLGReport Köln 1996, 216 = FamRZ 1997, 24) dargelegt, dass eine gleichgeschlechtliche Beziehung (dort: zwischen zwei Frauen) allein nicht ausreicht, eine unzumutbare Härte i.S.d. § 1565 Abs. 2 BGB zu bejahen. Das OLG Köln führt aus: "Gleichgeschlechtliche Beziehungen unterliegen einer größeren Akzeptanz in der Bevölkerung infolge der Liberalisierung der Sitten und Moralvorstellungen seit Ende der 60iger Jahre auch auf dem Gebiet sexueller Beziehungen. Sie unterliegen damit grundsätzlich den gleichen Regeln wie heterosexuelle Beziehungen. Dem Argument, in der Aufnahme homosexueller Beziehungen sei zusätzlich auch die Missachtung des anderen Ehepartners als Geschlechtspartner zu sehen, fehlt es an Überzeugungskraft."

Die vom OLG Köln beschriebene soziale Akzeptanz hat sich zwischenzeitlich weiter gefestigt. Im Jahr 2001 ist das Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft getreten. Vertreter des öffentlichen Lebens bekennen sich offen zur ihrer Homosexualität ("Und das ist gut so"). Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14.8.2006 hat das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG auf Bereiche des Zivilrechts ausgedehnt.

Konkrete Benachteiligungen der Antragstellerin, die die Voraussetzungen eines Härtegrundes i.S.d. § 1565 Abs. 2 BGB rechtfertigen könnten, sind nicht dargetan. Die Antragstellerin arbeitet als Realschullehrerin in Teilzeit in M, also räumlich weit entfernt von ihrem Wohnort. Der Antragsgegner wohnt nicht mehr in B, sondern ist nach R verzogen. Die Auswirkung auf die volljährigen Töchter kann im Hinblick auf die gesellschaftliche Wertung homosexueller Beziehungen nicht so bedeutend sein, dass daraus für die Antragstellerin ein Härtegrund abgeleitet werden könnte.

Damit hat das AG im Ergebnis zutreffend Prozesskostenhilfe verweigert.

III. Die Rechtsbeschwerde gegen die Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe war nicht zuzulassen, da sich der Senat in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung befindet. Dass Brudermüller bei Palandt, 66. Aufl., § 1565, Rz. 10, eine andere Ansicht vertritt, rechtfertigt schon wegen der Pauschalität der von der Mehrheitsmeinung abweichenden (vgl. Müko-Wolf, Rz. 106 zu § 1565 BGB) Kommentierung die Zulassung nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1708699

NJW 2007, 2052

FamRZ 2007, 1885

MDR 2007, 662

FF 2007, 117

FamRB 2007, 131

RÜ 2007, 420

OLGR-Süd 2007, 344

www.judicialis.de 2006

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