Entscheidungsstichwort (Thema)

Vaterschaftsanfechtung: Anfechtungsrecht des Putativvaters trotz Kenntnis vom Mehrverkehr der Partnerin bei der Vaterschaftsanerkennung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anfechtung der Vaterschaft durch den Putativvater ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass er vor Abgabe der Anerkennungserklärung Kenntnis vom Mehrverkehr seiner Partnerin erlangt hatte.

 

Normenkette

BGB §§ 1599, 1600b

 

Verfahrensgang

AG Fürth (Bayern) (Beschluss vom 10.01.2012; Aktenzeichen 204 F 1149/11)

 

Tenor

Der Antrag der beteiligten Kindsmutter, ihr für die Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Fürth vom 10.1.2012 Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Verfahrenskostenhilfeantragstellerin ist die Mutter des am 3.10.2009 geborenen Kindes T. R. Sie ist seit dem 19.3.2010 mit dem Antragsteller D. R. verheiratet, lebt jedoch von ihm seit Dezember 2010 getrennt. Der Antragsteller hatte zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt nach der Geburt des Kindes am 3.10.2009, aber vor dem 26.11.2009, die Vaterschaft zu dem Kind mit Zustimmung der Kindsmutter wirksam anerkannt. Das AG - Familiengericht - Fürth hat mit Beschluss vom 10.1.2012 antragsgemäß festgestellt, dass der Antragsteller nicht der Vater des Kindes T. ist. Es hatte zuvor ein DNA-Gutachten von dem Sachverständigen Prof. Dr. med. P. B. eingeholt. Dieser kam in seinem Gutachten vom 15.12.2011 aufgrund der Untersuchung des Antragstellers, des Kindes und der Kindsmutter zu dem Ergebnis, dass die Vaterschaft auszuschließen ist.

Gegen die ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 16.1.2012 zugestellte Entscheidung hat die Kindsmutter mit Anwaltsschriftsatz vom 9.2.2012, eingegangen beim AG Fürth am 14.2.2012, Beschwerde eingelegt. Sie führt zur Begründung an, der Antragsteller habe sein Recht zur Anfechtung der Vaterschaft verwirkt, weil er die Vaterschaftsanerkennung in Kenntnis der Tatsache, dass die Kindsmutter während der Empfängniszeit einen einmaligen Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann hatte, erklärt habe. Sie beantragt zudem die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen Bezug genommen.

II. Der zulässige Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe ist unbegründet, weil die Beschwerde der Kindsmutter keine Erfolgsaussicht hat.

Zu Recht hat das Familiengericht gem. § 1599 BGB, §§ 169 ff. FamFG festgestellt, dass der Antragsteller D. R. nicht der Vater des Kindes T. R. ist. Dies hatte die Beweisaufnahme durch die Einholung des Sachverständigengutachtens ergeben. Die fehlende biologische Abstammung des Kindes vom Antragsteller ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Das Anfechtungsrecht des Antragstellers war nicht erloschen, weil er die zweijährige Anfechtungsfrist des § 1600b BGB eingehalten hatte. Sie begann erst mit Wirksamwerden der kurz vor dem 26.11.2009 erfolgten Vaterschaftsanerkennungserklärung. Bereits am 4.7.2011, somit vor Ablauf der zweijährigen Frist, wurde die Anfechtungsklage vom 1.7.2011 anhängig.

Das Anfechtungsrecht des Putativvaters war auch nicht ausgeschlossen. Das Gesetz nennt als einzigen Ausschlussgrund die Versäumung der Frist des § 1600b BGB und will damit nach Ablauf dieser Zeit Rechtssicherheit und Rechtsfrieden eintreten lassen. Solange diese Frist aber noch läuft, gibt es keinen gesetzlich normierten Ausschlusstatbestand. Die Möglichkeit der Verwirkung des Anfechtungsrechts ist weder in der Rechtsprechung noch in Literatur anerkannt. Im Gegenteil, selbst bei einer bewusst falschen Vaterschaftsanerkenntniserklärung ist die spätere Anfechtung der Vaterschaft zulässig (OLG Köln FamRZ 2002, 629 = NJW 2002, 901, Gerhardt/Pieper, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 7. Aufl., 3. Kap., Rz. 124). Das Gesetz macht das Anfechtungsrecht nämlich nicht davon abhängig, dass der Anerkennende erst nach der Anerkenntniserklärung Kenntnis von gegen seine Vaterschaft sprechenden Umständen erlangt. Vielmehr ist ausschließlicher Anfechtungsgrund die objektive Unrichtigkeit einer Vaterschaftsanerkennung.

Wenn bereits eine falsche Erklärung des Vaters in Kenntnis der wahren Umstände nicht zur Rechtsmissbräuchlichkeit der späteren Anfechtungserklärung führt, so kann dies erst Recht nicht in Fällen wie dem vorliegenden gelten, in dem keine bewusst falsche Anerkennung abgegeben worden ist. Selbst wenn - wie die Kindsmutter behauptet, - der Antragsteller vor der Abgabe der Vaterschaftsanerkennung von dem Mehrverkehr der Frau gewusst haben sollte, so konnte sich naturgemäß daraus nicht die sichere Kenntnis des Nichtbestehens seiner Vaterschaft ergeben. Denn auch er selbst hatte fraglos in der gesetzlichen Empfängniszeit ungeschützten Geschlechtsverkehr mit der Kindsmutter. Aus Sicht des Antragstellers bestand daher die Möglichkeit, dass das Kind tatsächlich von ihm und nicht von einem anderen Partner gezeugt worden ist. Deswegen kommt es auf die Beantwortung der Frage, ob der Antragsteller vor Abgabe...

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