Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwerfung. Fortsetzungstermin. unentschuldigtes Ausbleiben. Termin. Belehrung
Normenkette
StPO §§ 216, 218, 228 Abs. 1, § 229 Abs. 1, § 329 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 12.06.2017; Aktenzeichen 14 Ns 415 Js 69015/16) |
Tenor
I.
Auf die Revision des Angeklagten ... wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12.06.2017 mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben
II.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Nürnberg hat den Angeklagten am 07.03.2017 wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 40 € verurteilt.
Hiergegen haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft - letztere beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch - Berufung eingelegt.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Urteil vom 12.06.2017 die Berufung des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache nach § 329 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO verworfen.
Gegen dieses dem Verteidiger des Angeklagten am 29.06.2017 zugestellte Urteil legte der Angeklagte mit Schreiben seines Verteidigers vom 06.07.2017, eingegangen per Telefax am selben Tag, Revision ein, die er mit Schreiben seines Verteidigers vom 07.08.2017, eingegangen am selben Tag, einem Montag, begründete. Mit dieser rügt er die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Der Angeklagte macht vor allem geltend, das Verwerfungsurteil habe nicht ergehen dürfen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen hätten. Nach seinem eindeutigen Wortlaut sei § 329 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO in einem Fortsetzungstermin, zu dem der Angeklagte nicht erschienen sei, nicht mehr anwendbar. Außerdem beanstandet die Revision die Entziehung des gesetzlichen und die Entscheidung durch den nicht gesetzlich zuständigen Richter wegen einer rechtsfehlerhaften Zurückweisung seines Antrags auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Landgericht Bayerlein sowie eine Verletzung des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK.
Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg beantragt mit Stellungnahme vom 01.12.2017 die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO kostenpflichtig als unbegründet zu verwerfen.
Der Angeklagte erwiderte hierauf mit Schreiben seines Verteidigers vom 19. und 22.12.2017.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig und hat mit der (Verfahrens-) Rüge der fehlerhaften Anwendung des § 329 Abs. 1 StPO - zumindest vorläufig - Erfolg.
1. Die Revision des Angeklagten ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO). Die für die Geltendmachung der unzulässigen Verwerfung seiner Berufung gemäß § 329 Abs. 1 StPO erforderliche Verfahrensrüge ist zulässig erhoben. Sie entspricht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, da der Angeklagte die wesentlichen Tatsachen, auf die er die Unzulässigkeit der Verwerfung stützt, vorgetragen hat und diese sich zudem aus den tatsächlichen Feststellungen des Urteils selbst ergeben (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, VRS 97, 139 juris Rn. 17; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2010, 287 juris Rn. 4).
2. Die Revision ist auch begründet.
Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten rechtsfehlerhaft ohne Verhandlung zur Sache verworfen, weil angesichts des Inhalts des Urteils und der in der Hauptverhandlung am 12.12.2017 getroffenen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Angeklagte im Fortsetzungstermin am 12.06.2017 unentschuldigt nicht erschienen ist.
a) Soweit sich das Landgericht für die Verwerfung auf § 329 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO gestützt hat, bestehen bereits rechtliche Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit dieser Vorschrift. Sie regelt nämlich den Fall, dass der Angeklagte sich ohne genügende Entschuldigung entfernt hat und kein Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht anwesend ist, und nicht den vorliegenden Fall, in dem der Angeklagte nach Unterbrechung der Hauptverhandlung gemäß § 228 Abs. 1, § 229 Abs. 1 StPO zum Fortsetzungstermin überhaupt nicht erschienen ist (anders wohl Meyer-Goßner/Schmitt StPO 60. Aufl., § 329 Rn. 17).
b) Dies kann aber letztlich dahinstehen. Denn es liegt jedenfalls ein Fall des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO vor, wonach die Berufung des Angeklagten verworfen werden kann, wenn bei Beginn eines Hauptverhandlungstermins weder der Angeklagte noch ein Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist.
Anders als nach der früheren Rechtslage ist seit der Neufassung des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO durch das am 25.07.2017 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Hauptverhandlung und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe vom 17.07.2015 (BGBl. I S. 1332) der für das Erscheinen des Verteidigers und das Vorliegen der schriftlichen Vertretungsvollmacht entscheidende Zeitpunkt nicht mehr der Beginn der Hauptverhandlung, sondern der Beginn "eines", also jedes "Hauptverhandlungstermins". Danach h...