Leitsatz (amtlich)

1. Dem Verfahrensrecht ist Vorrang vor dem Kollisionsrecht einzuräumen.

2. Die verfahrensrechtliche Vorfrage der Wirksamkeit einer inländischen Ehescheidung richtet sich deshalb nicht nach dem hier für die Namensführung berufenen Sachrecht, sondern nach dem inländischen Verfahrensrecht.

 

Normenkette

BGB § 1355 Abs. 5; EGBGB Art. 10; PStG §§ 16, 51 Abs. 2, § 53 Abs. 2; Türk. ZGB Art. 173

 

Verfahrensgang

AG Regensburg (Aktenzeichen UR III 12/21)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 22.11.2023; Aktenzeichen XII ZB 566/21)

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 29.09.2021, Az. UR III 12/21, wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Standesamtsaufsicht gegen einen Beschluss zur Namensführung einer türkischen Staatsangehörigen nach Ehescheidung.

Die Betroffene ist ausschließlich türkische Staatsangehörige und war mit dem ebenfalls türkischen Staatsangehörigen D... C... seit dem ... verheiratet, dessen Familienname die Betroffene seit der Eheschließung führte. Rechtswahlerklärungen zur Namensführung gaben die Eheleute nicht ab. Ihre in R... geschlossene Ehe wurde durch Endbeschluss des Amtsgerichts Straubing vom 22.10.2020 rechtskräftig geschieden. Das Standesamt hat der Betroffenen Gelegenheit gegeben, die Scheidung in der Türkei anerkennen zu lassen. Ein Anerkenntnisurteil wurde bis heute nicht vorgelegt. Nach Angaben der Betroffenen wurde die Ehescheidung in der Türkei bisher noch nicht anerkannt. Gegenüber dem Standesamt erklärte die Betroffene, dass sie auch nach der Scheidung weiterhin den Familiennamen ihres früheren Ehemanns führen wolle.

Das Standesamt ... hat Zweifel, ob im Eheregister E 643/2009 gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 5 PStG gleichwohl eine Folgebeurkundung dahingehend aufzunehmen sei, dass die Betroffene mit Eintritt der Rechtskraft der Scheidung wieder ihren Geburtsnamen führt, und hat deshalb gemäß § 49 Abs. 2 PStG das Amtsgericht Regensburg angerufen. Die Beantwortung der Frage hänge davon ab, ob verfahrensrechtliche Vorfragen im internationalen Namensrecht selbstständig oder unselbstständig anzuknüpfen seien. Dies sei höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Das Amtsgericht Regensburg hat mit Beschluss vom 29.09.2021 das Standesamt angewiesen, die fragliche Folgebeurkundung vorzunehmen. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 PStG sei im Eheregister durch Folgebeurkundung jede Änderung des Namens aufzunehmen. Die erfolgte Scheidung habe Auswirkungen auf die Namensführung.

Die Namensführung bestimme sich gemäß Art. 10 EGBGB nach dem Recht des Staates, dem die Person angehöre. Das türkische Recht nehme die Verweisung an und bestimme in Art. 173 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 türkisches Zivilgesetzbuch (im Folgenden türk. ZGB), dass die geschiedene Frau wieder ihren Geburtsnamen bekomme. Die Vorfrage, ob die Ehescheidung wirksam sei, sei selbständig anzuknüpfen, andernfalls wäre der interne Entscheidungseinklang unerträglich gestört.

Gegen diesen, ihr am 05.10.2021 zugestellten Beschluss wendet sich die Standesamtsaufsicht mit ihrer am 19.10.2021 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. Es bestehe das Bedürfnis, die dargestellte Rechtsfrage obergerichtlich klären zu lassen.

Die Betroffene führt aus, sie könne mit ihrem Mädchennamen keinen neuen Pass beantragen. Es sei für sie eine belastende Situation. Für sie wäre eine Zusatzzeile in dem Aufenthaltstitel mit dem Vermerk "geb. M..." eine sinnvolle Lösung. Sobald alles Private in der Türkei geklärt sei, werde sie die Scheidung dort anerkennen lassen.

II. Die gemäß §§ 58, 59 Abs. 3, § 63 FamFG, § 51 Abs. 2, § 53 Abs. 2 PStG zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Wie vom Amtsgericht bereits zutreffend ausgeführt, bestimmt sich die Namensführung der Betroffenen gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB nach dem Recht des Staates, dem die Person angehört, hier also dem türkischen Recht. Eine Rechtswahl gemäß Art. 10 Abs. 2 EGBGB ist nicht erfolgt.

Das türkische Recht nimmt die Verweisung an, wobei es im Ergebnis nicht darauf ankommt, ob die Namensführung nach der Ehescheidung gemäß dem türkischen Recht dem Personal- oder dem Scheidungsstatut zu unterstellen ist (BGH FamRZ 2007, 1540 Rn. 13; Henrich IPRax 2008, 121, 122).

Nach Art. 173 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 türk. ZGB nimmt die geschiedene Frau den Familiennamen wieder an, den sie vor der Eheschließung hatte.

2. Ob es sich bei der Betroffenen um eine "geschiedene" Frau handelt, ist eine Vorfrage, bei der die Gestaltungswirkung des deutschen rechtskräftigen Scheidungsbeschlusses die kollisionsrechtliche Anknüpfung überdeckt (Mäsch IPRax 2004, 102, 103). Insoweit handelt es sich nicht um eine Frage des internationalen materiellen Rechts, sondern um eine Frage des internationalen Verfahrensrechts.

a) Nach türkischem Recht bedürfte eine ausländische Scheidung der Anerkennung durch das zuständige türkische Gericht oder der personenstandsrechtlichen Registrierung. D...

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