Leitsatz (amtlich)
1. Legen die Eheleute im Verfahren zur Prüfung von Verfahrenskostenhilfe eine schriftliche Vereinbarung des Inhalts vor, dass sie anstelle des nach Art. 8a) Rom III anwendbaren deutschen Rechts das Heimatrecht eines der Beteiligten - hier das kasachische Recht - wählen, kann dies eine hinreichende Erfolgsaussicht für den nach dem gewählten, nicht aber nach dem deutschen Recht erfolgversprechenden Scheidungsantrag begründen.
2. Liegt zu einem einschlägigen ausländischen - hier kasachischen - Gesetz nur der Originaltext, nicht aber eine offizielle Übersetzung vor, kann es zur Prüfung und Bejahung einer hinreichenden Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 ZPO ausreichen, wenn eine Übersetzung des Gesetzestextes durch einen sprachkundigen Verfahrensbevollmächtigten beigebracht wird.
Normenkette
Rom III-VO Art. 5, 7-8; EGBGB Art. 46d; ZPO §§ 114, 293
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Beschluss vom 11.10.2012; Aktenzeichen 114 F 2926/12) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Nürnberg vom 11.10.2012 abgeändert.
II. Der Antragstellerin wird für das Scheidungsverfahren mit Wirkung ab 11.8.2012 Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt J. aus Nürnberg beigeordnet
Gründe
I. Die Antragstellerin, die nach ihren Angaben jetzt deutsche Staatsangehörige ist und früher die kasachische Staatsangehörigkeit hatte, und der Antragsgegner, der kasachischer Staatsangehöriger ist, haben am 4.2.2005 in Kasachstan geheiratet.
Aus der Ehe sind die Kinder A., geboren am 18.2.2006, und D., geboren am 11.9.2008, hervorgegangen.
Die Eheleute leben in Nürnberg.
Mit einem am 11.8.2012 eingegangen Schriftsatz vom 10.8.2012 hat die Antragstellerin
- beantragt, ihr "Prozesskostenhilfe" zu bewilligen und
- angekündigt, die Scheidung der Ehe der Parteien zu beantragen.
Zur Begründung des Antrages hat die Antragstellerin vorgetragen,
- dass die Ehegatten seit August 2012 getrennt leben,
- der Antragsgegner der Scheidung zustimmen werde,
- die Ehe zerrüttet sei, da sich unüberbrückbare Zerwürfnisse ergeben hätten und beide Ehegatten die Lebensgemeinschaft nicht wieder aufnehmen wollten.
Die Voraussetzungen einer Scheidung des - nach dem EGBGB anwendbaren - kasachischen Rechtes seien damit gegeben. Eine Trennungszeit sei danach nicht erforderlich.
Mit einem am 28.8.2012 eingegangenem Schriftsatz vom 24.8.2012 hat auch der Antragsgegner beantragt
- ihm für das Verfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen und
- die Ehe der Parteien zu scheiden.
Zur Begründung des Antrages hat er vorgetragen,
- dass die von der Antragstellerin vorgetragenen Tatsachen zutreffen und
- auch der Antragsgegner die Ehe der Beteiligten für zerrüttet halte und nicht mehr bereit sei, die eheliche Gemeinschaft wieder herzustellen.
Unter dem 31.8.2012 hat das Familiengericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass
- nach dem In-Kraft-Treten der "Rom III-VO" für die Scheidung das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts und damit das deutsche Recht maßgeblich sei,
- die Voraussetzungen einer Scheidung nach deutschem Recht aufgrund der erst im August 2012 erfolgten Trennung nicht vorlägen und
- Verfahrenskostenhilfe demnach zu versagen sei.
Auf diesen Hinweis hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin mitgeteilt, dass die Parteien beabsichtigen würden, in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Gerichts eine Rechtswahlvereinbarung nach der "Rom III-VO" zu treffen, wonach auf die Scheidung das kasachische Recht Anwendung finden solle. Danach sei eine Trennungszeit nicht erforderlich.
Unter dem 5.10.2012 hat das Familiengericht darauf hingewiesen, dass ein Gesetz, wonach eine Rechtswahl auch noch in der mündlichen Verhandlung möglich sei, in Deutschland (noch) nicht existiere. Entsprechend Art. 5 Abs. 2 der "Rom III-VO" hätte eine Rechtswahlvereinbarung deshalb vor Anrufung des Gerichts geschlossen werden müssen.
Mit einem am 8.10.2012 eingegangen Schriftsatz vom 4.10.2012 die Bevollmächtigte des Antragsgegners vorgetragen, dass die Beteiligten beabsichtigen, eine Vereinbarung über die Wahl des kasachischen Rechtes abzuschließen, und mit dem Schriftsatz eine von den beiderseitigen Rechtsanwälten unterzeichnete Vereinbarung zur Rechtswahl vom 04./5.10.2012 vorgelegt, nach der die Ehegatten sich darüber einig sind, dass sich die Scheidung nach dem kasachischen Recht richten soll.
Mit Beschluss vom 11.10.2012 hat das AG - Familiengericht - Nürnberg den Antrag der Antragstellerin vom 10.8.2012 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abgelehnt, da die "beabsichtigte Rechtsverfolgung" keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete.
In den Gründen des Beschlusses ist u.a. folgendes ausgeführt:
Gemäß Art. 8 der seit 21.6.2012 in Deutschland geltenden "Rom III-VO" sei auf die beantragte Scheidung grundsätzlich deutsches Recht anzuwenden.
Zwar hätten die Beteiligten mittlerweile eine Rechtswahlvereinbarung vorgelegt, wonach sie sich auf die Anwendung kasachischen Rechts verständigen.
Eine Vereinbarung der Anwendung des kasachischen Rechts sei zwar nach Art. 5 Abs. 1 S...