Leitsatz (amtlich)
Das für Fahrradfahrer geltende Gebot, auf kombinierten Fußgänger-/Radfahrerwegen auf Fußgänger im besonderen Maß Rücksicht zu nehmen, begründet keine generelle, situationsunabhängige Pflicht, Fußgänger durch ein Klingelzeichen auf sich aufmerksam zu machen oder sich Fußgängern nur mit Schrittgeschwindigkeit anzunähern.
Die Berufung wurde mit Beschluss vom 27.03.2019 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
Normenkette
ZPO § 522 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 31.01.2019; Aktenzeichen 2 U 1967/18) |
Tenor
A. Am 06.04.2017 kam es auf dem neben dem Main-Donau-Kanal auf Höhe des Ortsteils Kleinseebach der Gemeinde Möhrendorf gelegenen Schotterweg zu einem Zusammenstoß zwischen dem Kläger, der zu Fuß unterwegs war, und der Beklagten, die den Weg mit einem sogenannten "Pedelec" befuhr. Die Parteien streiten um wechselseitige Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche aus diesem Unfall.
Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Nach seiner Auffassung ergebe sich unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Bundeswasserstraßengesetzes (WaStrG) nicht, dass der Beklagten als Fahrerin eines Pedelecs die Benutzung des Schotterwegs, der als Betriebsgelände nur "für Fußgänger und Radfahrer (ohne Motorkraft)" von der Strompolizei freigegeben worden sei, untersagt gewesen wäre. Denn durch Pedelecs mit ihrem vergleichsweise schwachen Elektromotor drohe dem Zustand und der Sicherheit des Ufergrundstücks keinerlei Schaden. Im Übrigen diene das Bundeswasserstraßengesetz nicht dem Schutz der Rechtsgüter von Fußgängern und Radfahrern, die sich auf neben Bundeswasserstraßen gelegenen Wegen begegnen. Dass einer der Parteien ein unfallkausaler Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung anzulasten wäre, sei nicht nachgewiesen. Keiner der beiden Unfallschilderungen sei hinreichend überzeugend, ausreichende objektive Anknüpfungspunkte seien nicht vorhanden.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klageziel in vollem Umfang weiter. Er beantragt,
Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.08.2018 (Az.: 8 O 6196/17) abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.08.2017 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 2.755,12 EUR nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.08.2017 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren zu Händen der Rechtsanwälte Dr. Endress & Partner in Höhe von 958,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen verfolgt sie das Ziel ihrer Widerklage im Wege einer Anschlussberufung.
B. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.08.2018, Az. 8 O 6196/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
I. Sogenannte "Pedelecs" sind verkehrsrechtlich durch § 1 Abs. 3 StVG einem Fahrrad gleich gestellt (OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 10.04.2018 - 7 U 5/18 -, juris Rn. 24; Hühnermann in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, StraßenverkehrsR, 25. Aufl., § 1 StVG Rn. 8; Huppertz in: Münchener Kommentar, StVR, Aufl. 2016, § 1 StVG Rn. 16; Förster in: BeckOK, BGB, 48. Edition, § 823 Rn. 663; Wehrl in: May/Vogt, Lexikon StraßenverkehrsR, Aufl. 2016, Stichwort "Pedelec"). Ob das Wasser und Schifffahrtsamt der Stadt Nürnberg als "Strompolizei" ungeachtet dessen den Zweck verfolgte, durch die Freigabe des Betriebsgeländes "für Fußgänger und Radfahrer (ohne Motorkraft)" die Nutzung von Pedelecs auszuschließen, kann letztlich dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn man dies unterstellt, vermag ein Verstoß der Beklagten gegen diese Vorgabe keine Haftung gegenüber dem Kläger gemäß § 823 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes zu begründen.
Ein Schutzgesetz im Sinne dieser Vorschrift ist nur diejenige Norm, die nach Zweck und Inhalt wenigstens auch auf den Schutz von Individualinteressen vor einer näher bestimmten Art ihrer Verletzung ausgerichtet ist. Es genügt nicht, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als ihr Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss im Aufgabenbereich der Norm liegen (BGH, Urteil vom 03.02.1987 - VI ZR 32/86 -, juris Rn. 9). Letzteres ist aber hier nicht der Fall. Die im Rahmen von § 823 Abs. 2 BGB maßgebliche Ermächtigungsgrundlage (BGH, Urteil vom 26.02.1993 - V ZR 74/92 -, juris Rn. 10) für die Allgemeinverfügun...