Leitsatz (amtlich)

Die Rechtsprechung, wonach ein Plattformbetreiber bei der Verletzung bestimmter Verkehrspflichten selbst eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe der von Nutzern hochgeladenen urheberrechtsverletzenden Inhalte vornimmt, ist grundsätzlich übertragbar auf einen Online-Marktplatz, auf dem Dritte ihre Produkte mittels des vom Plattformbetreiber zur Verfügung gestellten Shopsystems zum Kauf anbieten.

War die Abmahnung haftungsbegründend, weil durch den darin erfolgten konkreten Hinweis auf die erfolgte Urheberrechtsverletzung auf der Plattform erst die Verkehrspflichten begründet wurden, deren Verletzung zu einer Haftung des Plattformbetreibers als Täter führt, besteht kein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten.

 

Normenkette

RBÜ Art. 3 Abs. 1 lit. a, Abs. 2, Art. 5 Abs. 2 S. 2; UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2, §§ 7, 10 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, §§ 16, 19a, 97, 121 Abs. 4 S. 1, § 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 19 O 8496/21)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15.09.2022, Az. 19 O 8496/21, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt,

a) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR und einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für den Fall der Uneinbringlichkeit des Ordnungsgeldes - zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten - zu unterlassen, das Lichtbildwerk "Manhattan Bridge" zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen und/oder öffentlich zugänglich zu machen und/oder machen zu lassen, wie nachstehend wiedergegeben oder in unfrei bearbeiteter Form:

((Abbildung))

b) dem Kläger über den Umfang der von ihr verwirklichten Handlungen, das Bildwerk "Manhattan Bridge" zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen, öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, Auskunft zu erteilen, und zwar unter Angabe sämtlicher Websites, auf denen das Lichtbildwerk zugänglich gemacht worden ist, einschließlich Social-Media-Kanälen und der Dauer der Verwendung und die Auskunft anhand geeigneter Unterlagen zu belegen;

c) an den Kläger einen Betrag in Höhe von 6.675,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.02.2022 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren über Ziffer 1.c) hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der diesem durch weitere Handlungen gemäß Ziffer 1.a) als die streitgegenständlichen entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben der Kläger 30 % und die Beklagte 70 % zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung wegen der Unterlassungsverpflichtung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000,00 EUR und wegen der Auskunftsverpflichtung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 1.500,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet. Darüber hinaus können beide Parteien die Zwangsvollstreckung wegen der Zahlungsverpflichtung und der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden; dies gilt nicht, wenn der jeweilige Gläubiger Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

V. Die Revision der Beklagten gegen dieses Urteil wird zugelassen. Zuständig ist der Bundesgerichtshof.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 25.900,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

A. Ausweislich des Tatbestands des angegriffenen Urteils ist folgender Sachverhalt zwischen den Parteien unstreitig:

Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der Rakuten Deutschland GmbH mit ehemaligem Sitz in [...]. Die Rakuten Deutschland GmbH betrieb unter der URL www.rakuten.de eine Online-Handelsplattform auf welcher sich Dritte als Händler registrieren und Waren zum Verkauf anbieten konnten. Die Webseite konnte von Deutschland aus im Internet aufgerufen werden. Der Verkäufer M. hat unter der Händlerbezeichnung "I.-Market" auf der Online-Handelsplattform der Rakuten Deutschland GmbH einen tragbaren Fernseher der Marke XORO angeboten. Denselben Fernseher hat er auch die T. GmbH unter der Händlerbezeichnung "T." auf der Online-Handelsplattform der Beklagten angeboten. Die Angebote wurden mit Produktbildern versehen, welche u.a. das verfahrensgegenständliche Lichtbildwerk zeigen. Eine Benennung des Klägers als Urheber des Lichtbildwerkes erfolgte nicht.

Mit Anwaltsschreiben vom 21.08.2018 mahnte der Kläger die Beklagte ab.

Im Termin vom 01.09.2022 nahm das Landgericht Nürnberg-Fürth die Webseite des Klägers www.p[...].com in Augenschein.

Am 15.09.2022 erließ das Landgericht das nachfolgende Endurteil:

1. Die Beklagte wird verurteilt,

a) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 E...

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