Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Vorsatzes des Versicherungsnehmers; Enthaltung des Versicherers gem. § 152 VVG
Leitsatz (amtlich)
1. Der in § 152 VVG für die Enthaftung des Versicherers geforderte Vorsatz des Versicherungsnehmers muss bei einem Verkehrsunfall nicht nur das Verhalten umfassen, das die Gefahr des Verkehrsunfalls entstehen lässt, sondern auch den Verkehrsunfall als solchen. Es ist aber regelmäßig nicht erforderlich, dass der Versicherungsnehmer auch den konkreten Schadensablauf in den Einzelheiten übersehen hat.
2. Ohne Bedeutung für die Annahme des Vorsatzes ist, ob der sein Kraftfahrzeug unter billigender Inkaufnahme eines Verkehrsunfalls abbremsende Versicherungsnehmer auch die Möglichkeit bedacht hat, dass nicht das ihm unmittelbar nachfolgende Kraftfahrzeug auffährt, sondern erst das übernächste mit einem weiteren, nachfolgenden Fahrzeug kollidiert.
3. Eine Beweiswürdigung des Tatrichters, nach der ein Kraftfahrer, der seinen Pkw im fließenden Verkehr von ca. 40 km/h bis zum Stand abbremst, die nahe liegende Möglichkeit eines Auffahrunfalls sowie den daraus resultierenden Schaden kennt und diese Folgen seines Handelns billigend in Kauf nimmt, weist keinen Rechtsfehler auf.
Normenkette
VVG § 152
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 06.07.2004; Aktenzeichen 8 O 345/04) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 6.7.2004 (Az. 8 O 345/04) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung in Ziff. 2) lautet:
Von den Gerichtskosten haben der Kläger und der Beklagte zu 1) jeweils die Hälfte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers hat der Beklagte zu 1) zur Hälfte zu tragen, der Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) voll.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.768,61 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Einstandspflicht der Beklagten zu 2) als Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des früheren Beklagten zu 1) für Schäden, die dem Kläger aus einem Verkehrsunfall entstanden sind, der durch das Abbremsen eines vom früheren Beklagten zu 1) gesteuerten Pkw ausgelöst worden ist.
Der frühere Beklagte zu 1) befuhr am 8.11.2003 die rechte Fahrbahn des "B.-Damm" in Erlangen kurz nach der Einmündung B.-straße in Richtung Nürnberg. Wegen eines vor ihm langsam fahrenden Busses wechselte er auf die linke Spur unmittelbar vor einen von dem Zeugen M. gesteuerten Pkw Sharan. Der frühere Beklagte zu 1) bremste nunmehr den von ihm gesteuerten Pkw ab. Der Zeuge M. konnte den Pkw Sharan zwar rechtzeitig anhalten, auf diesen fuhr jedoch das nachfolgende Kraftfahrzeug des Klägers, das von der Zeugin W. gesteuert wurde, auf. Auch das sodann nachfolgende Kraftfahrzeug konnte nicht mehr rechtzeitig anhalten und kollidierte von hinten mit dem Pkw des Klägers.
Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen, dass der frühere Beklagte seinen Pkw ohne Grund aus voller Fahrt absichtlich scharf abgebremst habe, um den hinter ihm fahrenden Zeugen M. wegen eines angeblich gezeigten "Mittelfingers" zur Rede zu stellen. Vor dem früheren Beklagten zu 1) sei die Fahrbahn vollkommen frei gewesen.
Der Kläger hat deswegen Erstattung der ihm entstandenen Sachschäden sowie des Nutzungsausfalls begehrt.
Die Beklagten haben in erster Instanz Klageabweisung beantragt.
Die Beklagten haben vorgetragen, der frühere Beklagte zu 1) habe sein Kraftfahrzeug verkehrsbedingt abbremsen müssen. Der Verkehrsunfall sei deswegen ausschließlich auf die Unaufmerksamkeit der Fahrerin des Kraftfahrzeugs des Klägers zurückzuführen.
Im Übrigen wird für den Sachverhalt auf den Tatbestand des Endurteils des LG Nürnberg-Fürth vom 6.7.2004 Bezug genommen.
Das LG hat nach Beweisaufnahme in dem genannten Endurteil den Beklagten zu 1) im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Die Klage gegen die Beklagte zu 2) ist mit der Begründung abgewiesen worden, dass der frühere Beklagte zu 1) mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe und deswegen eine Einstandspflicht der Haftpflichtversicherung nach § 152 VVG entfallen sei.
Das LG Nürnberg-Fürth ist dabei von folgenden tatsächlichen Feststellungen ausgegangen:
Der Beklagte zu 1) hat seinen Pkw aus einer Geschwindigkeit von 40-50 km/h ohne zwingenden Grund stark bis zum Stillstand abgebremst. Es liegt deswegen ein absichtliches, grundloses Abbremsen des früheren Beklagten zu 1) vor. Dieser hat mit bedingtem Vorsatz gehandelt.
Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen die Auffassung des LG, dass der frühere Beklagte zu 1) vorsätzlich gehandelt habe. Das LG habe nicht nur die Voraussetzungen für einen Vorsatz rechtlich falsch gesehen, sondern auch ohne ausreichende Begründung diesen Vorsatz für nachgewiesen erachtet.
Ergänzend beantragt der Kläger die Vernehmung des früheren Beklagten zu 1) als Zeugen dafür, dass dieser die spätere Kollision nicht vorhergesehen, nicht gewollt und nicht gebilligt habe. Eine V...