Leitsatz (amtlich)
Lässt sich eine Brauerei in den AGB eines Bierlieferungsvertrages verschuldensunabhängig für den Fall der Einstellung des Getränkebezugs eine Vertragsstrafe von 30 % des Verkaufspreises der noch abzunehmenden Getränkemenge versprechen und behält sie sich zudem das Recht vor, bei jeder Einstellung des Getränkebezuges in das Miet-/Pachtverhältnis des Gastwirts mit einem Dritten einzutreten, so benachteiligt diese Regelung den Gastwirt entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen im Sinne des § 9 AGBG.
Normenkette
AGBG § 9
Verfahrensgang
LG Amberg (Aktenzeichen 12 O 1294/00) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Amberg vom 29.5.2001 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Wert der Beschwer für die Klägerin beträgt 12.550,32 Euro (= 24.546,30 DM).
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.550,32 Euro (= 24.546,30 DM) festgesetzt.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
A. Die Berufung ist zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg.
Die Klägerin stützt ihr Zahlungsbegehren auf Nr. 4 des Darlehens- und Bierlieferungsvertrages vom 15.3.1993. Dort ist – neben anderen Konstellationen – für den Fall der Einstellung des Getränkebezugs eine Vertragsstrafe von 30 % des bei der Brauerei (= der Klägerin) gültigen Verkaufspreises für jeden nichtbezogenen Hektoliter Bier und alkoholfreie Getränke vereinbart.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18.12.2001 hat die Klägerin dies erneut betont und klargestellt, dass auch in ihrem Schriftsatz vom 6.11.2001 kein Übergang zu einer konkreten Schadensberechnung zu sehen sei; die dort vorgetragenen weiteren Rechnungsposten dienten vielmehr nur zur Begründung der Angemessenheit der Vertragsstrafe.
Die Vertragsstrafenklausel in Nr. 4 der Vereinbarung der Parteien ist indes wegen eines Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam. Dem Begehren der Klägerin fehlt damit die Rechtsgrundlage.
I. Zwar hat das Erstgericht – vom damaligen Sach- und Streitstand ausgehend zu Recht – Klausel Nr. 4 als Individualvereinbarung ge- und bewertet. Im Verlauf des Berufungsverfahrens haben die Parteien jedoch unstreitig gestellt, dass es sich um eine von der Klägerin vorformulierte und von ihr ständig verwendete Bestimmung handelt.
II. Allerdings ist die Klausel gem. § 24 AGBG nur einer beschränkten Inhaltskontrolle zu unterziehen.
Da die Beklagte als Gastwirtin Unternehmerin i.S.d. § 14 BGB ist, finden die Verbote bestimmter Klauseln nach §§ 10, 11 ABGB keine – direkte – Anwendung. Maßstab für die Beurteilung einer Klausel als unangemessen und damit als unwirksam ist vielmehr § 9 ABGB (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 9 AGBG Rz. 32).
III. Die vorliegende Vertragsstrafenklausel benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen: Zum einen weicht sie von einem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 ABGB); zum anderen erweitert sie die Rechte des Verwenders zu Lasten des Vertragspartners unangemessen. Im Rahmen der nach § 9 ABGB vorzunehmenden Beurteilung ist die Vertragsstrafenklausel nicht nur isoliert zu betrachten; vielmehr muss sie auch im Zusammenspiel mit der – als solche nach herrschender Meinung nicht zu beanstandenden (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 138 Rz. 81 m.w.N.) – Vetragsdauer von 13 1/2 Jahren sowie dem in Nr. 1d Abs. 2 des Vertrages vereinbarten Recht der Brauerei, bei Einstellung des Getränkebezuges „in den Mietvertrag mit dem Hausbesitzer einzutreten”, bewertet werden.
1. In Nr. 4 Abs. 2 des Vertrages wird dem Gastwirt eine Vertragsstrafe auferlegt und nicht nur eine Regelung pauschalierten Schadensersatzes getroffen.
Nr. 4 Abs. 2 des Vertrages bezeichnet die bei Verstößen gegen die Getränkebezugsverpflichtung zu leistende Zahlung ausdrücklich als „Vertragsstrafe”.
Zwar enthält Abs. 5 der Vertragsnr. 4 Anklänge an die Regelung pauschalierten Schadensersatzes, indem dort vereinbart ist, dass sich die Brauerei „daneben die Geltendmachung weiterer Schadensersatzansprüche” vorbehält. In der Zusammenschau ihrer einzelnen Regelungen spiegelt Klausel Nr. 4 aber letztlich den doppelten Zweck einer Vertragsstrafe wider, nämlich zum einen Druckmittel zur Erfüllung der Vertragspflichten zu sein und zum anderen bei einer Leistungsstörung den Schadensbeweis entbehrlich zu machen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 276 Rz. 55).
Zudem gehen Unklarheiten bei der Auslegung von Bestimmungen in AGBGs zu Lasten des Verwenders (§§ 5 ABGB).
2. Eine Unangemessenheit der Vertragsstrafenklausel ergibt sich allerdings nicht bereits allein aus ihrer Höhe von 30 % des bei der Brauerei gültigen Verkaufspreises. Diese liegt nämlich – jedenfalls bezogen auf Bierlieferungen – noch unterhalb der Gewinnspanne der Klägerin.
Hierzu hat die Klägerin unbestritten vorgetragen, dass vom entgangenen Nettoerlös ...