Leitsatz (amtlich)
1. Der Kfz-Haftpflichtversicherer, der an einen nichtberechtigten Leasingnehmer leistet, handelt nicht grob fahrlässig, wenn keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass es sich bei dem Unfallwagen um ein Leasingfahrzeug handelt.
2. Der Kfz-Haftpflichtversicherer ist zur Vermeidung des Vorwurfs grob fahrlässiger Unkenntnis des Eigentums des Dritten am beschädigten Fahrzeug nicht prinzipiell gehalten, den Anspruchsteller zu einer eindeutigen Erklärung über die Eigentumsverhältnisse aufzufordern.
Normenkette
BGB § 851
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 05.01.2023; Aktenzeichen 2 O 6786/21) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 05.01.2023, Az. 2 O 6786/21, abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 17.333,56 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.
Die Klägerin betreibt ein Fahrzeug-Leasingunternehmen. Die Beklagte ist ein Kfz-Haftpflichtversicherer, bei dem am 07.05.2021 das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen A ... haftpflichtversichert war.
Die Beklagte regulierte mit Abrechnungsschreiben von 10.06.2021 (Anlage K2) auf Betreiben einer - nicht von der Klägerin beauftragten - Anwaltskanzlei zugunsten einer Fa. Z. GmbH für einen "Schaden vom 07.05.2021" an dem Fahrzeug BMW mit dem amtlichen Kennzeichen B ... (im Folgenden: Fahrzeug) einschließlich Rechtsanwaltsgebühren einen Gesamtbetrag in Höhe von 17.888,05 EUR (Reparaturkosten 13.143,50 EUR; Wertminderung 1.550,00 EUR; Kostenpauschale 20,00 EUR; Sachverständigenkosten 2.153,55 EUR; Rechtsanwaltsgebühren 1.021,00 EUR). Mit Schreiben vom 30.06.2021 (Anlage K10) regulierte die Beklagte eine Nachzahlung auf Reparaturkosten in Höhe von 1.878,51 EUR und auf die Wertminderung in Höhe von 741,55 EUR sowie weitere vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 67,60 EUR. Mit Schreiben vom 21.10.2021 (Anlage K4) wies die Beklagte die sodann von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche in der streitgegenständlichen Höhe zurück.
Die Klägerin hat behauptet, am 07.05.2021 Eigentümerin des beschädigten Fahrzeugs gewesen zu sein. Für das Fahrzeug habe zu dieser Zeit mit einer Firma Z. GmbH i.Gr. ein Leasingvertrag bestanden.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des am 05.01.2023 verkündeten Endurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth Bezug genommen.
Mit diesem Urteil hat das Landgericht Nürnberg-Fürth der Klage überwiegend stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 17.333,56 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2021 sowie weitere 1.021,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.11.2021 zu bezahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 09.01.2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25.01.2023, eingegangen per beA am 26.01.2023, Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 11.04.2023 mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten am 11.04.2023 begründet.
Die Beklagte meint, sie habe nicht grob fahrlässig gehandelt, als sie im Verhältnis zur anwaltlich vertretenen Anspruchstellerin den fiktiv berechneten Schaden reguliert habe. Das Landgericht habe den Tatbestand des § 851 BGB unzutreffend verneint. Eine ergänzende Nachforschungspflicht der Beklagten sei nicht entstanden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil der 2. Zivilkammer beim Landgericht Nürnberg-Fürth vom 05.01.2023 zu 2 O 6786/21 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt
Zurückweisung der Berufung.
Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth bedarf der Abänderung, weil die Klage abzuweisen ist.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht gemäß § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1 StVG, § 115 VVG zu.
1. Die Beklagte hat mit der Berufung nicht angegriffen, dass die Voraussetzungen einer Schadensersatzpflicht nach § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1 StVG dem Grunde nach in vollem Umfang gegeben sind.
2. Allerdings ist die Beklagte durch ihre Regulierung gegenüber der Fa. Z. GmbH nach § 851 BGB leistungsfrei geworden.
Nach § 851 BGB kann der Deliktsschuldner mit befreiender Wirkung an den Besitzer einer beweglichen Sache Ersatz leisten, soweit er ihn gutgläubig für den Eigentümer hält (HK-BGB, Schulze/Staudinger, 12. ...