Leitsatz (amtlich)
Die Erhebung der Notbedarfseinrede gemäß § 529 Abs. 2 BGB kann wegen Sittenwidrigkeit der Schenkung unzulässig sein, wenn der Schenker und der Beschenkte mit der Schenkung bewusst oder zumindest grob fahrlässig den Bezug von Sozialhilfeleistungen herbeigeführt haben. Dies ist nicht anzunehmen, wenn der Schenker bei der Schenkung einen erheblichen Teil seines Vermögens behalten hat und zwischen der Schenkung und dem Einzug des Schenkers in ein Pflegeheim, welcher zu einem erhöhten Eigenbedarf des Schenkers geführt hat, ein erheblicher Zeitraum (hier: sechs Jahre) vergangen ist.
Normenkette
BGB § 528 Abs. 1 S. 1, § 529 Abs. 2, § 818 Abs. 2-3
Verfahrensgang
LG Regensburg (Aktenzeichen 34 O 176/21) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 08.10.2021, Az. 34 O 176/21, geändert. Die Klage wird als derzeit unbegründet abgewiesen, soweit sie auf Zahlung gerichtet ist von monatlich 942,33 EUR, letztmalig im Monat des Versterbens der Klägerin, bis zu einem Höchstbetrag von insgesamt 14.100 EUR. Im Übrigen wird sie uneingeschränkt abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 39.577,86 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt vom Beklagten Rückzahlung eines im Jahr 2014 geschenkten Gelbetrags, um Kosten eines Pflegeheims, in dem sie seit dem 23.09.2020 lebt, begleichen zu können.
Der Beklagte ist der Sohn der am 03.01.1945 geborenen Klägerin. Am 07.10.2014 veräußerte die Klägerin das Einfamilienhaus im L-Weg 7 in 2... L.-Dorf mitsamt Grundstück zu einem Kaufpreis von 165.000,00 EUR (Anlage K1). Der Kaufpreis wurde von den Käufern vereinbarungsgemäß direkt auf das Konto des Beklagten überwiesen. Der Beklagte leitete daraufhin 25.000,00 EUR an die Klägerin weiter. Den restlichen Betrag in Höhe von 140.000 EUR schenkte sie dem Beklagten. Der Beklagte, der verheiratet ist und drei minderjährige Kinder (geboren am 20.08.2010 sowie am 05.06.2013) hat, hatte zuvor seit dem 26.10.2006 ein Privatinsolvenzverfahren durchlaufen. Mit Beschluss des Amtsgerichts R. vom 20.12.2012, Aktenzeichen 8 IK ..., wurde dem Beklagten die Restschuldbefreiung erteilt (Anlage KB8). Der Beklagte ist berufstätig und arbeitet in Vollzeit, seine Ehefrau arbeitet in Teilzeit.
Die Klägerin kann die laufenden Heimkosten aus ihren Einnahmen nicht vollständig begleichen, es verbleibt ein Fehlbetrag von 942,33 EUR monatlich. Nennenswerte Vermögenwerte sind bei ihr nicht vorhanden.
Der Beklagte hat sich erstinstanzlich auf Entreicherung berufen. Der Geldbetrag von 140.000 EUR sei verwendet worden zur Überbrückung der Zeit der Arbeitslosigkeit des Beklagten bzw. zur Überbrückung der Zeiten, in denen der Beklagte ausschließlich kleineren Gelegenheitsarbeiten nachgehen habe können und die Ehefrau mit den drei gemeinsamen Kindern zu Hause gewesen sei und keinen Verdienst habe erwirtschaften können. Der Geldbetrag von 140.000 EUR sei vollständig für die Lebenshaltung in dieser Zeit und zur Versorgung der drei gemeinsamen Kinder verbraucht worden, vom letzten Rest seien dann ein Umzug nach Bayern und ein Familienauto, das groß genug für die Familie mit drei Kindern sei, finanziert worden. Der Umzug nach Bayern sei wegen besserer Erwerbsmöglichkeiten als in Schleswig-Holstein erfolgt. Von dem Betrag in Höhe von 140.000 EUR sei außerdem am 25.11.2014 eine Anzahlung für ein Fahrzeug an die Daimler AG in Höhe von 25.000 EUR geleistet worden. Außerdem seien Fahrräder, eine Nähmaschine, Haushaltsgeräte, Möbel, eine Einbauküche und ein Schwedenofen gekauft worden. Außerdem habe der Beklagte einen Hundewelpen für 1.500 EUR erworben.
Des Weiteren hat der Beklagte erstinstanzlich die Einrede des § 529 BGB erhoben, da der Beklagte gegenüber seiner Ehefrau und seinen Kindern unterhaltspflichtig sei. Der Beklagte erziele ein monatliches Nettoeinkommen von 1.900 EUR, seine Ehefrau von 1.200 EUR. Hinzu komme das Kindergeld. Die Ausgaben der Familie stellt der Beklagte wie folgt dar: Die monatliche Miete betrage kalt 920 EUR. Hinzu kämen monatliche Kosten von 11,65 EUR für eine Feuerversicherung, die monatlich an den Vermieter ebenfalls zusätzlich zu überweisen seien. Die monatlichen Kosten für Strom betrügen 148 EUR, für Wasser 44 EUR, für Heizung/Öl 90 EUR. Der Beklagte habe monatlichen Aufwand zu erbringen wegen eines Autokredits in Höhe von 352,54 EUR. Die Ehefrau des Beklagten habe wegen Autokreditkosten monatlich 202 EUR zu zahlen. Die Kosten der Müllabfuhr betrügen monatlich 8,30 EUR, die für die Kfz-Versicherung monatlich 64,40 EUR. Die Kosten für den Tennisverein der drei Kinder betrügen monatlich 68,8...