Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des nachehelichen Unterhalts wegen Vereitelung des Umgangsrechts des Unterhaltsschuldners; Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch wenn hinsichtlich der Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht mehr das nach altem Recht entwickelte Altersphasenmodell zum Tragen kommt, und nach dem Willen des Gesetzgebers nunmehr stärker auf den Einzelfall und tatsächlich bestehende, zumutbare und verlässliche Möglichkeiten der Kinderbetreuung abgestellt werden soll, ist im Interesse der Rechtssicherheit im Regelfall eine gewisse schematisierende Betrachtungsweise angemessen und geboten, von der aufgrund besonderer Umstände eine Abweichung im Einzelfall in Betracht zu ziehen ist.
2. Danach wird im Allgemeinen dem betreuenden Elternteil nicht sogleich nach Ablauf von drei Jahren nach der Geburt des Kindes eine über den Umfang einer Geringverdienertätigkeit hinausgehende Beschäftigung anzusinnen sein; als zeitliche Zäsur, ab der gewöhnlich eine Halbtagstätigkeit zu erwarten ist, ist der Eintritt des Kindes in die zweite Grundschulklasse für angemessen anzusehen.
3. Eine Obliegenheit zur Vollerwerbstätigkeit wird im Regelfall auch nach dem 1. Januar 2008 erst ab dem 15. Lebensjahr eines Kindes anzunehmen sein.
4. Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt kann verwirkt sein, wenn der Unterhaltsberechtigte den Umgang des gemeinsamen Kindes mit dem Unterhaltspflichtigen massiv vereitelt; dabei muss es sich jedoch um ein schwerwiegendes, hartnäckiges und eindeutig beim Berechtigten liegendes Fehlverhalten handeln.
Normenkette
BGB §§ 1570, 1578-1579, 1634; EStG § 10
Verfahrensgang
AG Schwandorf (Urteil vom 23.05.2007; Aktenzeichen 1 F 19/05) |
Tatbestand
Die Parteien streiten im vorliegenden Verbundverfahren nur noch über den nachehelichen Unterhalt. Aus der Ehe der Parteien sind die Kinder V. (geboren am 19.4.1995) und S. (geboren am 18.8.2001) hervorgegangen. Die Tochter V. lebt seit der Trennung der Eltern Ende April 2005 beim Vater, der Sohn S. bei der Mutter.
Der Antragsteller hat während des Zusammenlebens der Parteien eine Vollzeitbeschäftigung als Pilot ausgeübt. Ab Juli 2005 hat er seine Tätigkeit auf 75 %, ab 1.4.2006 auf 50 % reduziert; seit November 2007 arbeitet er wieder zu 75 %. Die Antragsgegnerin übt eine Teilzeitbeschäftigung aus; außerdem verfügt sie über Mieteinnahmen.
Mit Verbundurteil vom 23.5.2007 hat das AG - Familiengericht - Schwandorf die Ehe der Parteien geschieden (Ziff. 1., rechtskräftig seit 2.10.2007), den Versorgungsausgleich geregelt (Ziff. 2.), den Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin nachehelichen Elementarunterhalt i.H.v. monatlich 769 EUR und Altersvorsorgeunterhalt i.H.v. monatlich 231 EUR, erstmals am Ersten des auf die Rechtskraft des Scheidungsurteils folgenden Monats, zu zahlen (Ziff. 3.), und den Antragsteller weiter verurteilt, an die Antragsgegnerin Zugewinnausgleich i.H.v. 25.213,77 EUR zu zahlen (Ziff. 4.).
Entscheidungsgründe
Die Rechtsmittel beider Parteien sind zulässig. Sie haben jeweils nur zu einem geringen Teil Erfolg.
A. Der Antragsgegnerin steht gegen den Antragsteller ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu, der weder verwirkt noch - derzeit - zeitlich zu befristen ist.
1. Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin besteht auch für die Zeit ab 1.1.2008. Dies ergibt sich aus § 1570 Abs. 1 S. 2, 3 BGB n.F. Danach verlängert sich der in § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB geregelte 'Basisunterhalt' über drei Jahre nach der Geburt des betreuten Kindes hinaus, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht, wobei die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen sind.
Auch wenn damit hinsichtlich der Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht mehr das bisherige, von der Rechtsprechung nach altem Recht entwickelte Altersphasenmodell zum Tragen kommt, und nach dem Willen des Gesetzgebers nunmehr stärker auf den Einzelfall und tatsächlich bestehende, zumutbare und verlässliche Möglichkeiten der Kinderbetreuung abgestellt werden soll, hält der Senat - nicht zuletzt im Interesse der Rechtssicherheit - für den Regelfall eine gewisse schematisierende Betrachtungsweise für angemessen und geboten, von der aufgrund besonderer Umstände allerdings jederzeit abgewichen werden kann. Danach wird im allgemeinen dem betreuenden Elternteil nicht sogleich nach Ablauf von drei Jahren nach der Geburt des Kindes eine über den Umfang einer Geringverdienertätigkeit hinausgehende Beschäftigung anzusinnen sein; als zeitliche Zäsur, ab der gewöhnlich eine Halbtagstätigkeit zu erwarten ist, sieht der Senat - in Übereinstimmung mit den anderen Familiensenaten des OLG Nürnberg - den Eintritt des Kindes in die zweite Grundschulklasse für angemessen an. Eine Obliegenheit zur Vollerwerbstätigkeit wird im Regelfall nicht vor dem 15. Lebensjahr des betreuten Kindes anzunehmen sein.
Legt man diese Maßstäbe zugrunde, geht die Antragsgegnerin derzeit noch in ausre...