Leitsatz (amtlich)
1. Ist die gekaufte Sache im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaft und verlangt der Käufer nach seiner Wahl gemäß § 439 I BGB die Lieferung einer mangelfreien Sache, entfällt sein Anspruch nicht aufgrund einer vom Verkäufer anschließend bewirkten Beseitigung des Mangels.
2. Dem trotz Mangelbeseitigung am Anspruch auf Nachlieferung festhaltenden Käufer kann der Einwand treuwidrigen Verhaltens (§ 242 BGB) dann nicht entgegengehalten werden, wenn die Mangelbeseitigung ohne seine Zustimmung erfolgt ist.
3. Die für einen erstmals im Prozess geltend gemachten Ausschluss der verlangten Nacherfüllung nach § 439 III BGB relevante Bedeutung des Mangels bestimmt sich nach den zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorliegenden Umständen.
Normenkette
BGB §§ 242, 434 Abs. 1 S. 1, § 434 2 Nr. 2, § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 30.12.2015) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 30.12.2015 abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen PKW A. mit der nachstehenden Ausstattung Zug um Zug gegen Herausgabe des PKW A. mit der Fahrgestellnummer... herauszugeben und zu übereignen:
Fahrzeug:
... Modell A.
... Schwarz...
... Stoff...
Serienausstattung:
...
Sonderausstattung:
...
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des PKW A. mit der Fahrgestellnummer... seit dem 01.10.2013 in Annahmeverzug befindet.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 EUR, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
7. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 38.265,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Nachlieferung eines Kraftfahrzeugs.
Mit Kaufvertrag vom 20.07.2012 (Anlage K 1) erwarb der Kläger zum Preis von 38.265,00 EUR von der Beklagten einen neuen PKW A. mit Schaltgetriebe, der im September 2012 an den Kläger ausgeliefert wurde. Seit Januar 2013 erschien im Display des Fahrzeugs mehrmals die Kupplungsüberhitzungsanzeige. Da der Kläger Probleme mit der Kupplung und der Elektronik rügte, befand sich das Fahrzeug mehrfach bei der Beklagten zur Mangelbeseitigung. Der Kläger nutzte das Fahrzeug nicht zum Fahren im Gelände, da er fürchtete, dort liegenzubleiben. Nachdem die Warnmeldung am 02.07.2013 und 08.07.2013 erneut aufgetreten war, forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 11.07.2013 (Anlage K 4) zur Lieferung einer Ersatzsache bis spätestens 30.09.2013 auf. Damit verbunden war das Angebot, Zug um Zug gegen Lieferung eines identischen Fahrzeugs das gekaufte Fahrzeug zurückzugeben. Die Beklagte kam der Aufforderung nicht nach.
Der Kläger hat behauptet, im Display des Fahrzeugs erscheine häufig eine Textmeldung, die zum vorsichtigen Anhalten des Fahrzeugs zum Zwecke der Abkühlung der Kupplung auffordere, was bis zu 45 Minuten dauern könne. Er hat die Auffassung vertreten, für das Vorliegen eines Mangels sei auf den Zeitpunkt des Nacherfüllungsverlangens abzustellen.
Die Beklagte hat behauptet, die Kupplung sei technisch einwandfrei und die Warnleuchte erscheine dann, wenn dies im Falle besonderer Beanspruchung vorgesehen sei, um Schäden vorzubeugen. Seitens der Entwicklungs- und der Gewährleistungsabteilung sei ihr auf Nachfrage zugesichert worden, dass ein Abstellen des Fahrzeugs bei Erscheinen des Warnhinweises nicht notwendig sei, weil die Kupplung bei betriebsgerechter Bedienung auch im Fahrbetrieb abgekühlt werden könne. Auch weise die Warnmeldung nach einem Softwareupdate seit Juli 2013 folgenden Text auf: "Kupplung im Stand oder während der Fahrt abkühlen lassen. Häufiges Anfahren und längeres Fahren unterhalb Schrittgeschwindigkeit vermeiden. Nach Erlöschen dieser Meldung ist die Kupplung abgekühlt und nicht geschädigt". Nach Erstellung des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen vom 08.09.2014 sei das Softwareupdate im Oktober 2014 auf das Fahrzeug des Klägers aufgespielt worden. Das Nacherfüllungsverlangen sei mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden. Bei einem Fahrzeugwert von 37.710,00 EUR und einem zwischenzeitlich eingetretenen Wertverlust in Höhe von 25-30 % beliefen sich die Kosten der Nacherfüllung auf ca. 9.500,00 bis 11.300,00 EUR. Ein Austausch der Kupplungsanlage verursache Kosten in Höhe von 2.500,00 EUR. Soweit die Warnmeldung als Mangel anzusehen sei, sei eine Nacherfüllung unmöglich gemäß § 275 I BGB.
Wegen des darüber hinausgehenden erstinstanzlichen Parteivorbringens und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des am 30.12.2015 verkündeten Endurteils des LG Nürnberg-Fürth sowie auf die dort genannten Unterlagen Bezug genommen.
Das LG Nürnberg-Fürth ...