Leitsatz (amtlich)
›1. Muß der Betreiber eines Skilifts wegen eines in der Nähe befindlichen Parkplatzes mit Skifahrern rechnen, die die Trasse des Skiliftes queren, müssen unbesetzte oder rücklaufende Schleppgehänge zur Schneeoberfläche einen Mindestabstand von 2,5 m einhalten.
2. Zur Höhe des Schmerzensgeldes (hier: 10000,00 DM) für eine Frau, die bei einem mitverschuldeten Unfall an einem Skilift einen Nasentrümmerbruch erleidet, der operativ versorgt werden mußte und Dauerfolgen (Kopfschmerzen bei Witterungsumschwüngen; sichtbare Nasendeformierung) zeitigt.‹
Verfahrensgang
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die zulässigen Berufungen beider Parteien sind unbegründet.
1. Berufung des Beklagten:
Die Berufung ist bereits deshalb unbegründet, weil der Beklagte entgegen den Vorschriften für den Bau und Betrieb von Schleppaufzügen (BOSchlepp) nebst Ausführungsbestimmungen hierzu (Stand November 1990) den streitgegenständlichen Lift betrieben hat.
1.1 Gemäß Ziffer 5.1.6 der vorgenannten Ausführungsbestimmungen sollen unbenützte oder auf dem Rücklauf befindliche Schleppgehänge von Skiliften, wie sie der Beklagte betreibt, mindestens 2,5 m über der Schneeoberfläche bleiben.
Gegen diese, für Bayern verbindlich vorgeschriebene BOSchlepp hat der Beklagte verstoßen, weil die Klägerin unstreitig von einem unbesetzten Doppelbügel des Schlepplifts im Gesicht getroffen wurde.
1.2 Der Beklagte weist zutreffenderweise darauf hin, daß es sich insoweit um eine Sollvorschrift handelt. Dabei kann jedoch nicht übersehen werden, daß sich unmittelbar neben dem Schlepplift ein Parkplatz befindet. Der Beklagte muß daher davon ausgehen, daß die Trasse des Skilifts von Benutzern der Abfahrtspiste gequert wird, um vom Parkplatz zur Piste oder umgekehrt zum Parkplatz, unter Umgehung des Umwegs um das Kassenhäuschen des Skilifts, zu gelangen. In einer derartigen Situation muß mit einer Querung der Skilifttrasse durch Skifahrer gerechnet werden, so daß die Höhe von unbenutzten Schleppgehängen von ganz entscheidender Bedeutung ist. Nach Auffassung des Senats war es in dieser konkreten Situation ein unbedingtes Muß, unbenützte oder auf dem Rücklauf befindliche Schleppgehänge mindestens 2,5 m über der Schneeoberfläche zu führen.
1.3 Die BOSchlepp hat als Schutzvorschrift ähnliche Rechtswirkungen wie Unfallverhütungsvorschriften. Ein Verstoß liefert dem Verletzten den Beweis des ersten Anscheins, daß bei Beachten der Schutzvorschrift es nicht zum Unfall gekommen wäre (vgl. Dambeck-Leer, Piste und Recht, S. 267 m. w. N.).
Die BOSchlepp wirkt jedoch nicht nur als Unfallverhütungsvorschrift zugunsten der Benutzer des Skilifts, sondern auch zugunsten Dritter. Gemäß Ziffer 5.2.1 der Ausführungsbestimmungen sind Kreuzungen mit Fußwegen grundsätzlich zu vermeiden und Kreuzungen bei Schleppaufzügen mit niederer Seilführung (vgl. den streitgegenständlichen Skilift) grundsätzlich verboten. Dies erhellt, daß die Vorschriften der BOSchlepp auch als Unfallverhütungsvorschriften zugunsten kreuzender Skifahrer gedacht sind.
1.4 Das aufgrund des Verstoßes gegen die BOSchlepp vermutete Verschulden des Beklagten beim Betrieb des streitgegenständlichen Skilifts wird durch die behauptete Zulassung des Lifts durch den TÜV nicht widerlegt.
Grundsätzlich entlastet es den Verkehrssicherungspflichtigen nicht ohne weiteres, daß die Liftanlage bautechnisch genehmigt worden war. Die Verkehrssicherungspflicht orientiert sich an anderen rechtlichen Aspekten (vgl. BGH NJW 1985, 620 (621)).
Der Pflichtverstoß hätte dem Beklagten auch bei Anwendung der verkehrserforderlichen Sorgfalt erkennbar sein müssen. Als Betreiber eines Skilifts hätte dem Beklagten die Geltung der seinerzeitig vom Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr herausgegebenen und für den Freistaat Bayern verbindlichen Vorschriften für den Bau und Betrieb von Schleppaufzügen bekannt sein müssen. Diese Vorschriften gelten in Bayern seit Mai 1984.
1.5 Soweit der Beklagte das vom Erstgericht angenommene Mitverschulden der Klägerin mit 50 % als zu niedrig und das vom Landgericht mit 20.000,00 DM angenommene Schmerzensgeld als übersetzt ansieht, ist die Berufung unbegründet. Der Senat verweist hierzu auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Ersturteils.
2. Die Berufung der Klägerin ist gleichfalls unbegründet.
Die Klägerin hat in Kenntnis des in Betrieb befindlichen Skilifts dessen Trasse gekreuzt und deshalb "in Kauf genommen", sich den Gefahren eines in Betrieb befindlichen Skilifts auszusetzen. Grundsätzlich hat jedoch der Skifahrer in der Regel eigenverantwortlich selbst für seine Sicherheit zu sorgen (vgl. BGH a.a.O.).
Zur Höhe des Schmerzensgeldes verweist der Senat auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils. Die Klägerin hat die Höhe des Schmerzensgeldes für den Fall der Säumnis mit 20.000,00 DM beziffert. Weitere Ausführungen hierzu erscheinen dem Senat entbehrlich.
3. Nebenentscheidungen:
Kosten: § 97 Abs. 1 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit...