Entscheidungsstichwort (Thema)
Werbung einer RA-Kanzlei mit Umsatzzahlen
Leitsatz (amtlich)
§ 6 Abs. 3 BORA ist zumindest insoweit wegen Verstoßes gegen Art. 12, 3 GG nichtig, als er die Werbung mit Umsatzzahlen verbietet.
Verfahrensgang
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 17.12.2003 in Ziff. I.1. bis I.3. aufgehoben.
Die Klage wird insoweit abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 60 % und der Beklagte 40 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 70.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision gegen diese Entscheidung wird zugelassen.
Beschluss: Der Streitwert wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Zulässigkeit bestimmter Angaben des Beklagten in einer Pressemitteilung.
Der Beklagte ist ein in N. zugelassener Rechtsanwalt. Er betreibt in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit anderen eine Rechtsanwalts-, Wirtschaftsprüfer- und Steuerberatungskanzlei.
Der Beklagte gab am 20.6.2002 eine 5-seitige Pressemitteilung heraus, deren Seite 1 wie folgt lautet:
...
Wegen des Inhaltes der Presseerklärung im Übrigen wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.
Die Klägerin hält insgesamt 5 Angaben der Pressemitteilung für wettbewerbswidrig, da diese gegen das Verbot des Werbens mit Umsatzzahlen (§ 6 Abs. 3 BORA) bzw. gegen das Verbot unsachlicher Werbung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) verstoßen.
Die Klägerin hat beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Pressemitteilungen zu veröffentlichen, in denen folgende Textpassagen verwendet werden:
1. "R. & Partner erzielt Rekordwachstum";
2. "Umsatz steigt im Jahr 2001 um 37,2 % auf 138,2 Mio. Euro";
3. "R. & Partner hat im Geschäftsjahr 2001 ein hervorragendes Wachstum erzielt";
4. "Damit behauptet sich das Unternehmen als führende Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- und Rechtskanzlei deutschen Ursprungs";
5. "R. & Partner ist damit der Partner Nr. 1 im internationalen Mittelstand".
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hält die Klägerin als Rechtsanwaltskammer nicht für klagebefugt und trägt im Übrigen vor, dass Belange des Gemeinwohles nicht erforderten, dass die angegriffenen Äußerungen zu verbieten seien. Alle angegriffenen Aussagen seien richtig. Der Gleichheitsgrundsatz sei verletzt, da anwaltliche Kapitalgesellschaften gem. § 325 HGB ihre Umsatzzahlen veröffentlichen müssten.
Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Hinsichtlich der angegriffenen Äußerungen 1. bis 3. hat es das Urteil auf einen Verstoß gegen § 6 Abs. 3 BORA gestützt, der Werben mit Umsatzzahlen untersagt. Der Publizitätspflicht des § 323 HGB unterfielen jedenfalls nicht Anpreisungen wie "Rekordwachstum" oder prozentuale Wachstumsangaben. Eine Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 3 BORA sei nicht ersichtlich. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liege nicht vor, da ein klarer Verstoß gegen das Verbot der Werbung mit Umsatzzahlen vorliege. Im Übrigen lasse sich der Erfolg eines Rechtsanwalts nicht in Ziffern messen. Die angefochtenen Aussagen riefen bei den angesprochenen Verkehrskreisen den falschen Eindruck hervor, der Beklagte sei als Rechtsanwalt besonders erfolgreich und qualifiziert. Schließlich verstießen die angegriffenen Angaben Nr. 4. und 5. gegen das Gebot der Beschränkung auf eine sachliche Unterrichtung.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils des LG Nürnberg-Fürth Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, der seinen erstinstanzlichen Vortrag aufrechthält und ergänzend ausführt, die Klagebefugnis der Rechtsanwaltskammer fehle auch deswegen, weil die von der Klägerin angegriffenen Äußerungen nicht geeignet seien, den Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Außerdem könne die Rechtsanwaltskammer berufsrechtliche Maßnahmen ergreifen. Die angegriffenen Äußerungen 4. und 5. bezögen sich eindeutig nicht auf Rechtsberatung. Das LG habe die Äußerungen nur isoliert, nicht im Gesamtzusammenhang betrachtet. Auch andere Rechtsanwalts-, Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterkanzleien veröffentlichten regelmäßig Umsatzzahlen. Hinsichtlich der angegriffenen Äußerung Nr. 4. sei aus dem Zusammenhang ersichtlich...