Entscheidungsstichwort (Thema)
Offensichtlich irrtümliche Wertpapieraufträge über Internet
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Direktbank ist grundsätzlich verpflichtet, geeignete technische und organisatorische Vorkehrungen zu treffen, die sicherstellen, dass über Internet erteilte unplausible und offensichtlich irrtümliche Wertpapieraufträge als solche erkannt werden.
2. Ein nach mehreren Stunden wiederholter inhaltsgleicher Online-Auftrag deutet nicht ohne weiteres auf einen Irrtum hin.
3. Die Direktbank ist nicht verpflichtet, eine Order mangels ausreichenden Guthabens auf dem Geldkonto nicht auszuführen. Eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Direktbank, dass sie zur Ausführung von Aufträgen zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren insoweit verpflichtet ist, als das Guthaben des Kunden oder sein Depotbestand zur Ausführung ausreicht, gibt der Direktbank ein Leistungsverweigerungsrecht.
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 11.07.2002; Aktenzeichen 10 O 1561/02) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 11.7.2002 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 22.588,20 Euro.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten, eine Kontenbelastung für die Ausführung eines Wertpapiergeschäfts rückgängig zu machen.
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten, einer Direktbank, seit August 1999 ein Tagesgeldkonto, ein Wertpapierdepot sowie ein weiteres im Guthaben zu führendes Geldkonto. Letzteres diente dazu, Wertpapierkäufe zu bezahlen.
Am 16.3.2000 buchte der Kläger online zunächst vom Tagesgeldkonto 25.000 DM auf das Geldkonto um, das danach ein Guthaben i.H.v. 48.931,81 DM (25.018,44 Euro) aufwies. Anschließend, zwischen 11.00 Uhr und 12.21 Uhr, der genaue Zeitpunkt ist zwischen den Parteien str., erteilte der Kläger der Beklagten per Internet den Auftrag, 50.000 Aktien H. com, WPKN, mit einem Limit von 0,45 Euro je Aktie, insgesamt somit für 22.500 Euro, zu erwerben.
Um 16.34 Uhr desselben Tages erteilte der Kläger der Beklagten wiederum über Internet einen inhaltsgleichen Auftrag zum Erwerb von 50.000 H. com-Aktien.
Die Beklagte führte beide Aufträge im Wert von jeweils 22.588,20 Euro aus und belastete das Geldkonto des Klägers, das dadurch einen Sollstand von 18.647,48 Euro aufwies. Mit Schreiben vom 8.4.2000 widersprach der Kläger der doppelten Ausführung seiner Order sowie den daraus resultierenden Buchungen und Abrechnungen und forderte die Beklagte auf, diese bis 20.4.2000 rückgängig zu machen. Die Beklagte kam dem nicht nach. Der Kläger, der die Aktien selbst nicht veräußerte, begehrt von der Beklagten die Gutschrift für den 2. Aktienerwerb, hilfsweise Ersatz für den zwischenzeitlich eingetretenen Kursverlust der Wertpapiere.
Der Kläger behauptet, er habe nach Erteilung seiner ersten Order keine Bestätigung über Bildschirm seitens der Beklagten für die Annahme der Order erhalten. Auch telefonisch habe er nicht in Erfahrung bringen können, ob die Beklagte die Order angenommen hatte. Das Computersystem der Beklagten sei abgestürzt. Weiter vertritt er die Auffassung, dass die Beklagte die zweite Order nicht hätte ausführen dürfen, weil sein Geldkonto keine ausreichende Deckung aufgewiesen hatte.
Die Beklagte bestreitet einen Absturz ihres Systems zum Zeitpunkt der ersten Ordererteilung. Sie vertritt die Auffassung, dass sie nicht verpflichtet sei, Order mangels ausreichender Deckung auf dem Girokonto nicht auszuführen. Weiter trägt sie vor, dass sämtliche Telefongespräche aufgezeichnet würden. Ein Anruf des Klägers sei nicht festgestellt worden.
Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen. Es hält die Ausführung der beiden Aufträge für nicht pflichtwidrig. Eine Verpflichtung zur Bestätigung einer Order bestehe nicht. Der Kläger habe schon nicht vorgetragen, aus welcher vertraglichen Vereinbarung sich eine solche Pflicht ergeben sollte. Der Schaden des Klägers bestehe in der nochmaligen Erteilung seiner Order. Diese sei der Beklagten nicht zuzurechnen. Falls der wiederholte Auftrag gegen 16.00 Uhr auf eine Pflichtverletzung der Beklagten vor diesem Zeitpunkt zurückzuführen wäre, hätte der Kläger jedenfalls unter völliger Missachtung seiner Schadensminderungspflicht gehandelt. Er hätte nur zuwarten müssen, um festzustellen, dass sein Auftrag unverzüglich ausgeführt wurde. Solange er sich dessen nicht sicher gewesen sei, habe er auf eigenes Risiko gehandelt. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte das Vorliegen eines „Doppelauftrages” erkennen würde. Der Kläger habe auch nicht erwarten können, dass die Beklagte die zweite Order nicht ausführen würde, wenn das Guthaben auf dem Ge...