Entscheidungsstichwort (Thema)
Belästigende Praktiken eines Versandhandelshauses im Internet
Leitsatz (amtlich)
Bietet ein Versandhandelshaus auf seiner Internetseite einem Dritten, der ein bestimmtes Produkt ausgewählt hat, an, dieses Produkt per E-Mail direkt von der Internetseite aus an einen vom Dritten benannten Empfänger zu versenden, liegt eine nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG unzumutbare Belästigung vor, wenn in der bei dem Empfänger ankommenden E-Mail nicht nur die Empfehlung des bestimmten Produkts, sondern eine darüber hinausgehende Werbung enthalten ist. Hierbei handelt es sich um Direktwerbung i.S.v. Art. 13 RL 2002/58/EG.
Normenkette
UWG § 7 Abs. 2 Nr. 3; RL 2002/58/EG Art. 13
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 21.04.2005; Aktenzeichen 1 HKO 10587/04) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 21.4.2005 (Az. 1 HKO 10587/04) abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf Empfehlung eines Dritten und aufgrund der von diesem in der Internetseite der Beklagten eingetragenen Empfängerangaben eine persönliche Nachricht des Dritten mit einer Produktempfehlung und Werbung der Beklagten über ihren Server an Internet-Nutzer ohne deren vorherige Einwilligung per E-Mail zu versenden, wenn dies wie folgt geschieht:
...
2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff. I Nr. 1 ein Ordnungsgeld bis 250.000 EUR oder eine am Vorstand zu vollziehende Ordnungshaft bis zu 6 Monaten sowie Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, angedroht.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 189 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.9.2004 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 10.200 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision zum BGH wird zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 10.189 EUR.
Gründe
A. Die Beklagte betreibt ein weithin bekanntes Versandhandelsunternehmen mit Sitz in F. Ihren Warenkatalog präsentiert sie auch im Internet. Die Klägerin ist ein Verbraucherschutzverband nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
Die Klägerin beanstandet folgende Verfahrensweise der Beklagten bei der Präsentation von Waren im Internet:
Die Beklagte hält auf der Internetseite, auf der sie ein bestimmtes Produkt präsentiert, u.a. ein Menü mit folgenden 5 Unterpunkten vor:
Möchten Sie ...
- das Produkt ausdrucken
- das Produkt weiterempfehlen
- das Produkt in den Merkzettel legen
- ihren Merkzettel öffnen
- auch auf Raten kaufen
Wird der Unterpunkt "das Produkt weiterempfehlen" angeklickt, öffnet sich folgende Seite:
"Seite weiterempfehlen
Wenn Sie diese Seite weiterempfehlen möchten, dann tragen Sie einfach pro Empfänger Name, Vorname und E-Mail-Adresse ein. (Pflichtfelder)
...
Möchten Sie persönliche Grüße mitschicken?
Geben Sie bitte hier Ihren
Text ein: ....
Restliche Eingabebuchstaben: ...
Absender
Ihr Vorname: ...
Ihr Name: ...
Ihre E-Mail: ...
Empfänger 1
Vorname: ...
Name: ...
E-Mail: ...
...".
Klickt der Interessent (im Folgenden "Dritter") auf "abschicken", dann erhält diejenige Person, deren E-Mail-Adresse der Dritte eingetragen hat (= im Folgenden "Empfänger"), die aus dem Tenor ersichtliche E-Mail, die der von der Klägerin vorgelegten Anlage K 1 in einer vom Gericht selbst anonymisierten Form entspricht: Es sind sämtliche Namen der Parteien, des Empfängers sowie des Dritten durch neutrale Einträge in Kursivschrift ersetzt worden.
Die Klägerin ist der Ansicht, mit dieser Vorgehensweise verstoße die Beklagte gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Denn der Empfänger erhalte eine E-Mail nicht nur mit einem Empfehlungstipp, vielmehr seien damit Produktinformationen der Beklagten verbunden, wie es sich aus Bl. 3 der Anlage K 1 ergebe (= entspricht der Anlage zum Urteilstenor ohne Anonymisierung). Der Empfänger habe für das Zusenden der E-Mail keine Einwilligung erteilt. Die Beklagte bediene sich in wettbewerbsrechtlich unzulässiger Weise Umgehungsmöglichkeiten in Form getarnter persönlicher Empfehlungen. Dies habe die gleiche Wirkung, wie wenn die Beklagte selbst ihre Produkte ggü. dem Empfänger bewerbe.
Die Beklagte sei so auch in der Lage, Spamfilter, die speziell für gewerbliche Absender vorgeschaltet seien, zu umgehen, da die Beklagte nicht als Absender in Erscheinung trete. Im Übrigen verstoße die Beklagte auch gegen § 7 Nr. 1 und 2 TDG.
Die Beklagte ist der Ansicht, die auf Initiative des Absenders versandte E-Mail enthalte als Absenderkennung "@q... .de", umgehe so also keinen Spamfilter. Ihre Vorgehensweise sei keine Direktwerbung. Unter Berücksichtigung der RL 2002/58/EG sei § 7 UWG nämlich so auszulegen, dass damit nur Direktwerbung erfasst werden soll...