Leitsatz (amtlich)

Die in einem Prämiensparvertrag enthaltene Vereinbarung einer Prämienstaffel mit kontinuierlich steigenden Prämien bedeutet den konkludenten Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Sparkasse bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 15.09.2020; Aktenzeichen 10 O 5615/19)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 17.10.2023; Aktenzeichen XI ZR 72/22)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15.09.2020 in Nr. 1 des Tenors abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass der Sparvertrag Nr. ... zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.06.2019 beendet worden ist.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 8.400,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung eines Prämiensparvertrages durch die Beklagte.

Die Parteien schlossen am 31.10.2001 einen als "S-Prämiensparen flexibel" bezeichneten Prämiensparvertrag (Anlage K1).

Ziffer 3 des Vertrages hat folgenden Wortlaut:

3. Zinsen und Prämien

Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, zzt. 2,500 %, am Ende eines Kalender-/Sparjahres eine verzinsliche S-Pramie gemäß der nachfolgenden Prämienstaffel auf die geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres, und zwar erstmals am

31.12.2004. Das Sparjahr beginnt jeweils am 01.11. und endet jeweils am 31.10. des Folgejahres.

Die S-Prämie beträgt nach

6J 8,000 %

10J 25,000 %

14J 45,000 %

18J 50,000 %

3J 3,000 %

7J 10,000 %

11J 30,000 %

15J 50,000 %

19J 50,000 %

4J 4,000 %

8J 15,000 %

12J 35,000 %

16J 50,000 %

20J 50,000 %

5J 6,000 %

9J 20,000 %

13J 40,000 %

17J 50,000 %

FJ 50,000 %

Gem. Ziffer 5.2 des Vertrages sollen ergänzend die "derzeit geltenden Bedingungen" der Beklagten für den Sparverkehr und ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Vertragsbestandteil sein.

Nr. 26 Abs. 1 S. 1 der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten lautet:

Soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart sind, können der Kunde und bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.

Mit Schreiben vom 24.06.2019 kündigte die Beklagte den Vertrag unter Berufung auf die "grundlegende Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren" mit Wirkung zum 1.10.2019 (Anlage K2). Der Kl. wies die Kündigung als unvereinbar mit den vertraglichen Abreden der Parteien zurück.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens sowie der dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des Teilurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15.09.2020 Bezug genommen.

Mit diesem Urteil ist die Klage hinsichtlich des auf Feststellung gerichteten Antrags, dass der Sparvertrag durch die Kündigung der Beklagten vom 24.06.2019 nicht beendet wurde, abgewiesen worden. Dies greift der Kläger mit seiner Berufung an.

Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam, weil sich die Beklagte mit der im Vertrag enthaltenen Prämienstaffel jedenfalls bis zum Ablauf des 20. Sparjahres zur Zahlung der dort angegebenen Sparprämien verpflichtet habe. Zwar werde die höchste Prämienstufe von 50 % bereits nach 15 Sparjahren erreicht. Jedoch führe die Prämienstaffel explizit die Sparjahre 3 bis 20 auf und weise diesen jeweils individuelle Prämiensätze zu. Der Kläger habe daher darauf vertrauen dürfen, die im Vertrag benannten Prämien für die explizit aufgeführten Sparjahre auch sicher erhalten zu können, ohne dass die Beklagte diese Ansprüche im Wege der ordentlichen Kündigung zunichtemachen könne. Die Relevanz der Nennung der explizit bezeichneten Sparjahre ergebe sich auch daraus, dass das Formular erst für die Zeit nach dem 20. Sparjahr pauschal von "FJ", d.h. von Folgejahren, spreche. Etwaige Unklarheiten ihres eigenen Vertragsformulars gingen im Übrigen gem. § 305 Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten.

Der Kläger beantragt:

In Abänderung des am 15.09.2020 verkündeten Teilurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Az. 10 O 5615/19 wird festgestellt, dass der Sparvertrag Nr. ... zwischen dem Kläger und der Beklagten vom 31.01.2001 nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.06.2019 beendet wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beruft sich im Wesentlichen auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.5.2019 - XI ZR 345/18 (BGHZ 222, 74). Danach stehe fest, dass in der Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus seit 2008 ein sachgerechter...

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