Entscheidungsstichwort (Thema)

Informationspflichten beim Vertrieb von Konsumgütern an Verbraucher im Internet

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn der Bestellvorgang auf einer Internetseite so gestaltet ist, dass es dem Verbraucher nicht möglich ist, bei Abgabe der Vertragserklärung durch Betätigung der Schaltfläche gleichzeitig die Produktinformationen einzusehen, so widerspricht dies der Zielrichtung des Gesetzgebers und genügt daher nicht der gesetzlichen Anforderungen nach § 312 j Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 246 a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB.

2. Die Vorschrift des § 312j Abs. 3 BGB ist nach ihrem Wortlaut auf jeden Verbrauchervertrag im elektronischen Rechtsverkehr anwendbar, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat. Sie gilt bei dem Abschluss von Verträgen über Abonnements auch dann, wenn der Zeitraum einer Testphase gratis ist.

3. § 312j BGB soll die Verbraucher vor Kostenfallen im Internet schützen. Der geforderte eindeutige Hinweis auf die Zahlungspflicht auf der Schaltfläche soll den Verbraucher davor schützen, eine Zahlungsverbindlichkeit einzugehen, ohne sich dieser Tatsache bewusst zu sein (OLG Köln, Urt. v. 3.2.2016 - 6 U 39/15). Dies muss aber auch dann gelten, wenn der Verbraucher neben einer ihm schon bekannten Verbindlichkeit eine weitere Zahlungspflicht hinsichtlich eines anderen typenverschiedenen Vertrags eingeht (hier: ein zunächst kostenfreies und dann kostenpflichtiges Abonnement).

 

Normenkette

BGB § 312 Abs. 2-3; EGBGB Art. 246a Abs. 1 S. 1 Nr. 1; UWG § 3a; ZPO § 253 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Urteil vom 01.10.2019; Aktenzeichen 1 HK O 358/19)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 01.10.2019, Az.: 1 HK O 358/19, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1.1 Der Beklagten wird untersagt, Verbrauchern im Internet den Kauf von Waren sowie den Abschluss einer kostenpflichtigen Mitgliedschaft anzubieten und am Ende des Bestellvorgangs lediglich einen einzigen Bestellbutton mit der Bezeichnung "Jetzt kaufen" vorzuhalten, mit dessen Betätigung der Verbraucher eine verbindliche Vertragserklärung sowohl in Bezug auf den Kaufvertrag als auch auf die Mitgliedschaft abgeben soll, wie geschehen in Anlage K4.

1.2 Der Beklagten wird untersagt, Verbrauchern im Internet den Kauf von Waren anzubieten, ohne den Verbraucher unmittelbar vor Abgabe von dessen Vertragserklärung über die wesentlichen Eigenschaften der verkauften Ware zu informieren, wie ersichtlich aus Anlage K5.

1.3 Der Beklagten wird für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1.1 und 1.2 genannten Verbote ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR (ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Wochen) oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken am Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft, angedroht

2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Beklagte 94 % und der Kläger 6 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers hinsichtlich der Unterlassungsanordnungen in Ziffern 1.1. und 1.2 durch Sicherheitsleitung in Höhe von 50.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen können die Parteien die Vollstreckung nach Ziffer 3 des Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

1. Der Streitwert in der ersten Instanz wird bis 03.07.2019 auf 100.000,00 EUR, bis 02.09.2019 auf 71.732,14 EUR und ab 03.09.2019 auf 53.462,55 EUR festgesetzt.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren bis 05.05.2020 auf 53.462,55 EUR und ab 05.05.2020 auf 50.000 EUR festgesetzt.

2. Der Kläger wird des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt, soweit er diese in der Berufungsverhandlung (Berufungsanträge Ziffer I 1 und I 2) zurückgenommen hat.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten um Unterlassungsansprüche.

Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG. Die Beklagte bietet unter der Website www.n...de Lebensmittel, Kosmetik und Haushaltsartikel in Kombination mit einer nach Ablauf einer Testphase von 28 Tagen kostenpflichtigen Mitgliedschaft an.

Die Verbraucherin ... bestellte im Onlineshop der Beklagten einen Artikel aus dem Sortiment der Beklagten und fertigte von der Bestellmaske einen Screenshot (Anlage K4). Am Ende des Bestellvorgangs befindet sich in der Bestellmaske der Beklagten ein Bestellbutton mit der Bezeichnung "Jetzt kaufen". Ein gesonderter Bestellbutton oder ein technisches Tool einer ausdrücklichen Vertragserklärung auf eine kostenpflichtige Mitgliedschaft war zu dem Zeitpunkt dieser Bestellung nicht vorhanden. Unter dem Bestellbutton findet sich folgender Hinweis:

"Mit Deinem Kauf startet eine 28-tägige Testphase, di...

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