Leitsatz (amtlich)
Im Regelfall begründet die Verwirklichung einer der in § 14 Abs. 3 MarkenG genannten Verwertungshandlungen die Vermutung der Wiederholungsgefahr für sämtliche darin aufgeführte Handlungsmodalitäten. Eine andere Beurteilung ist nur dann veranlasst, wenn vor dem Hintergrund des Charakteristischen der konkreten Verletzungshandlung eine Benutzungsart des § 14 Abs. 3 MarkenG nach Lage der Dinge völlig fernliegend erscheint. Dabei ist die Frage, ob ausnahmsweise keine Kerngleichheit gegeben ist, in der Regel nach objektiven Kriterien zu beurteilen.
Die Benutzungsart des Besitzes i.S.v. § 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG umfasst auch Tathandlungen im europäischen Ausland, wenn der damit verbundene Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens im Inland entweder bereits eingetreten ist oder derart unmittelbar bevorsteht, dass typischerweise ohne weitere wesentliche Zwischenakte eine inländische Markenkollision im Raum steht.
Normenkette
BGB § 242; MarkenG § 14 Abs. 2-3, 6, §§ 19, 24 Abs. 1; VO (EU) Nr. 1215/2012 Art. 7 Nr. 2, Art. 26 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 19 O 526/21) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 03.02.2022, Az. 19 O 526/21, dahingehend abgeändert, dass
1.1. in Ziffer 1. nach den Worten "hierfür zu werben" die Worte "sowie zu vertreiben oder zu vorgenanntem Zweck zu besitzen" eingefügt werden sowie
1.2. in Ziffer 4. der Betrag "1.398,25" durch den Betrag "1.822,96" ersetzt wird.
2. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das erstinstanzliche Urteil und das Berufungsurteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus dem Berufungsurteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 38.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Der Kläger ist Inhaber der nachfolgenden deutschen Marken, die unter anderen für "Taucherapparate, Taucheranzüge, Taucherhandschuhe, Tauchermasken und Atemgeräte zum Tauchen" Schutz beanspruchen:
((Abbildungen))
Die Beklagte bewarb beziehungsweise bot über die von ihr betriebene Internetseite www.s[...].com sowie über die Handelsplattform www.amazon.de Tauchzubehör unter Verwendung der klägerischen Marken an. Dabei wurden teilweise Produktfotos verwendet, die Waren mit den klägerischen Marken zeigen.
Unter anderen bewarb die Beklagte unter der Marke des Klägers über die Handelsplattform www.amazon.de eine Trimmbleitasche, welche durch den Kläger im Rahmen eines Testkaufs erworben wurde. Auf der Plastikverpackung des Produkts war ein Rabattaufkleber der Beklagten angebracht, unter welchem sich ein weiterer Aufkleber mit der Marke "X[...]" sowie der Internetadresse x[...].de befand. Weder auf der Verpackung noch auf der Trimmbleitasche selbst waren die klägerischen Marken aufgedruckt.
Das Landgericht erließ am 03.02.2022 das nachfolgende Teil-Anerkenntnis- und Endurteil:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gemäß § 890 ZPO, die Ordnungshaft zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr unter den Zeichen
((Abbildungen))
in der Bundesrepublik Deutschland Tauchzubehör anzubieten und hierfür zu werben.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem aus den in Ziff. 1. beschriebenen Handlungen bereits entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.
4. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger schriftlich Auskunft über den Umfang der Handlungen gemäß Ziff. 1. unter Vorlage geeigneter Belege zu erteilen, insbesondere über
a) Angebotsmenge, Angebotszeiten und Angebotspreise, sowie
b) den erzielten Umsatz, aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren und unter Angabe der Gestehungskosten
c) nach Kostenfaktoren ohne Fixkosten, sowie
d) die betriebene Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbegegenstand, Werbeträger, Auflagenhöhe,
e) Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.398,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 01.10.2020 zu zahlen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Zur Begründung führte das Landgericht insbesondere aus, dass der Kläger gegenüber der Beklagten keine über das abgegebene Anerkenntnis hinausgehenden Ansprüche auf Unterlassung, auf Erteilung weiterer Auskünfte und auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach habe. Der Kläger habe nicht nach...