Leitsatz (amtlich)
1. Setzen Eheleute in einer handschriftlichen "Gemeinsamen Erklärung" einen Verwandten (Neffen) der Ehefrau zum Alleinerben ein, handelt es sich insoweit um ein gemeinschaftliches Testament.
2. Setzt der Ehemann auf einer von der "Gemeinsamen Erklärung" gemäß Nr. 1 getrennten, aber am selben Tag errichteten Urkunde seine Ehefrau handschriftlich zur Alleinerbin "ohne jegliche Einschränkung" ein, und setzt auch die Ehefrau auf demselben Schriftbogen, aber in einer gesonderten handschriftlichen Erklärung ihren Ehemann zum Alleinerben "ohne jegliche Einschränkung" ein, so ist hierin ebenfalls ein gemeinschaftliches Testament zu sehen.
3. Eine Bindung der überlebenden Ehefrau an die "Gemeinsame Erklärung" besteht nicht. Hierbei kann dahinstehen, ob es sich bei der Gesamtheit der unter Nr. 1 und Nr. 2 genannten letztwilligen Verfügungen der Eheleute um ein einheitliches gemeinschaftliches Testament mit Schlusserbeneinsetzung handelt; jedenfalls liegt keine Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung der Ehefrau durch ihren Ehemann zur Schlusserbeneinsetzung des Neffen der Ehefrau durch diese vor. Inhalt und Form der Erklärungen lassen nämlich die Feststellung nicht zu, dass der Ehemann seine Ehefrau, nur deshalb zur Alleinerbin bestimmt hat, weil diese ihren Neffen als Schlusserben eingesetzt hat.
4. Zur Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens im Wege ergänzender Testamentsauslegung, wenn sich der Schlusserbe ggü. der Ehefrau des erstversterbenden Ehemannes hinsichtlich eines in den Nachlass fallenden Unternehmens eine Stellung anmaßt, die ihm rechtlich nicht zusteht.
Normenkette
BGB §§ 2258, 2267, 2269-2271
Verfahrensgang
LG Regensburg (Urteil vom 05.09.2008; Aktenzeichen 4 O 404/08) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG Regensburg vom 5.9.2008 aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass der Kläger Alleinerbe der am 11.1.2008 in Regensburg verstorbenen E. H., geb. K., geboren am ..., ist.
III. Die Widerklage wird abgewiesen.
IV. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % zu vollstreckenden Betrages leistet.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 560.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Parteien begehren jeweils die Feststellung ihres Erbrechts nach der am 11.1.2008 verstorbenen E. H., (im Folgenden auch Erblasserin).
Die Erblasserin war mit W. H. (im Folgenden auch Ehemann) in kinderloser Ehe verheiratet. Dieser verfasste handschriftlich eine von ihm am 20.1.1991 eigenhändig unterschriebene letztwillige Verfügung, in der er sein "gesamtes Hab und Gut ohne jegliche Einschränkung" der Erblasserin als Alleinerbin vermachte.
Auf demselben Blatt Papier verfasste die Erblasserin handschriftlich eine unter der letztwilligen Verfügung des Ehemannes stehende selbständige, von ihr am 20.1.1991 eigenhändig unterschriebene letztwillige Verfügung, in der sie ihr "gesamtes Hab und Gut ohne jegliche Einschränkung" dem Ehemann als Alleinerben vererbte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K 4 verwiesen.
Des Weiteren verfasste der Ehemann handschriftlich auf der Vorder- und Rückseite eines weiteren Blatt Papiers eine von ihm und der Erblasserin (mit einem Zusatz) jeweils unter dem 20.1.1991 eigenhändig unterschriebene "Gemeinsame Erklärung". In dieser bestimmten sie u.a., dass nach dem Ableben "von uns Beiden" "unser Neffe J." - also der Beklagte - Alleinerbe "des Reisebüros mit allem Drum und Dran" sowie des "Haus- und Grundbesitzes einschließlich Inventar, Schmuck etc. etc." sein sollte unter der Voraussetzung, dass dieser vor einer Heirat einen Ehe- und Erbvertrag abzuschließen habe, um einen Besitzübergang an Dritte zu verhindern. Weiter wurde u.a. bestimmt, dass "unser Neffe O." von seinem Bruder J. nach einem Ablauf von ca. 5 Jahren mit einem Schätzwert für das Haus ... abzufinden sei und weitere Personen Barbeträge erhalten sollten. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser letztwilligen Verfügung, von der nur noch eine Kopie vorliegt und das Original nicht mehr auffindbar ist, wird auf die Anlage K 2 verwiesen.
Am 15.10.1991 verstarb der Ehemann der Erblasserin an einem Herzinfarkt.
Am 27.6.1992 verfasste die Erblasserin ein eigenhändiges Testament, in dem sie - mit weitgehend gleichlautendem Inhalt wie die "Gemeinsame Erklärung" - ebenfalls den Beklagten zum Alleinerben einsetzte. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser letztwilligen Verfügung, von der ebenfalls nur noch eine Kopie vorliegt und das Original nicht mehr auffindbar ist, wird auf die Anlage K 3 verwiesen.
Der Beklagte - J. - war ein Neffe der Erblasserin; mit deren Ehemann war er nur verschwägert. Beide Eheleute hatten zum Beklagten seit dessen frühester Kindheit ein sehr gutes Verhältnis in einer Art Eltern-Kind-Bezieh...