Leitsatz (amtlich)
Die Behauptung, dass ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt bzw. dass die Verletzung einer Person durch einen ärztlichen Behandlungsfehler verursacht worden ist, kann Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens sein.
Ein selbständiges Beweisverfahren ist allerdings nur zulässig, wenn der Antragsteller unter Bezeichnung gewisser Anhaltspunkte die Behauptung eines ärztlichen Behandlungsfehlers aufstellt. Die schlichte Frage, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, dient lediglich der Ausforschung und ist deshalb unzulässig.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Beschluss vom 28.05.2008; Aktenzeichen 8 OH 31/08) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des LG Oldenburg vom 28.5.2008 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert:
1. Es soll Beweis erhoben werden über die folgenden Fragen/Behauptungen:
a) Ist bei dem Eingriff am 28.2.2005 die medizinisch gebotene Sorgfalt eingehalten worden, insbesondere was den Verlauf und die Lage der Bohrkanäle angeht?
b) Hat die falsche Lage des/der Bohrkanäle Auswirkungen auf die Stabilität des Knies? Sind die Beschwerden der Antragstellerin als durch die Lage der Bohrkanäle verursacht bzw. mitverursacht anzusehen? Wenn ja, in welchem Maße?
c) Hätte die Antragstellerin am Unfalltage 16.1.2005 bereits operativ versorgt werden müssen?
d) Welche Ursachen/Gründe liegen vor, dass die Antragstellerin immer noch nicht in der Lage ist, beschwerdefrei zu gehen?
e) Welche Maßnahmen sind erforderlich, damit das rechte Knie der Antragstellerin vollständig wiederhergestellt wird?
2. Die Ärztekammer Hannover, Berliner Allee 20, 30175 Hannover, soll um die Benennung eines geeigneten Sachverständigen ersucht werden.
3. Die Beauftragung des Sachverständigen ist davon abhängig, dass die Antragstellerin binnen zwei Wochen einen Auslagenvorschuss für den Sachverständigen i.H.v. 1.500 EUR einzahlt.
4. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
II. Die Beschwerdegebühr wird auf die Hälfte reduziert. Die Antragstellerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu 2.) zu tragen.
III. Streitwert: 40.000 EUR.
Gründe
A. Mit ihren Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens hat die Antragstellerin begehrt, ein schriftliches Sachverständigengutachten zu den Fragen einzuholen, ob die im Hause der Antragsgegnerin vorgenommenen Operationen lege artis durchgeführt worden sind, ob ein ärztlicher Kunstfehler vorliegt, ob sie - die Antragstellerin - bereits am Unfalltage, dem 16.1.2005, hätte operativ versorgt werden müssen, welche Ursachen dafür verantwortlich sind, dass sie nicht beschwerdefrei laufen kann, und welche Maßnahmen erforderlich sind, damit ihr rechtes Knie vollständig wiederhergestellt wird. Diese Beweisfragen hat sie mit Schriftsatz vom 6.5.2008 und 27.5.2008 ergänzt. Die 8. Zivilkammer des LG Oldenburg hat mit Beschluss vom 28.5.2008 den Antrag der Antragstellerin als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, die Klärung, ob die Behandlung im Hause der Antragsgegnerin den anerkannten Regeln ärztlicher Kunst entsprochen habe, könne nicht Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens sein. Im Übrigen dienten die Beweisfragen der Ausforschung, so dass diese ebenfalls unzulässig seien. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde.
B. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 28. A., § 485 Rz. 3) und hat teilweise in der Sache Erfolg.
I. Die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens lässt sich allerdings nicht aus § 485 Abs. 1 ZPO herleiten. Denn die Antragstellerin hat weder hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Verlust des Beweismittels zu besorgen ist, noch dass seine Benutzung erschwert ist. Soweit die Antragstellerin behauptet hat, dass eine weitere Knieoperation bevorsteht, rechtfertigt dies die Befürchtung von Beweisschwierigkeiten nicht. Abgesehen davon, dass unstreitig bereits Dr. P. eine Arthroskopie des Knies vorgenommen, dabei zur Schmerzlinderung Nerven durchtrennt und damit die Verhältnisse im Knie nach Abschluss der Behandlung durch die Antragsgegner verändert hat, kommt es für die Beurteilung der Frage, ob den Antragsgegnern Behandlungsfehler unterlaufen sind, maßgeblich auf die Auswertung der bereits vorliegenden Röntgen-, MRT- und CT-Aufnahmen und nicht auf eine persönliche Untersuchung der Klägerin an. Hinzu kommt, dass im Rahmen eines weiteren operativen Eingriffs durch den intraoperativ erhobenen Befund sogar zusätzliche Erkenntnisse bei der Beantwortung der Beweisfragen zu erwarten sind.
II. Das von der Antragstellerin angestrengte selbständige Beweisverfahren ist hinsichtlich der in der Beschlussformel genannten Beweisfragen aber gem. § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig, weil die Antragstellerin das Verfahren nach eigenen Angaben auch betreibt, um einen Rechtsstreit mit den Antragsgegnern zu vermeiden.
Nach der Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat ...