Leitsatz (amtlich)

Die Entscheidung, ob die Ausstattung eines Belegkrankenhauses ausreicht, um die nach der Eingangsdiagnose zu erwartenden ärztlichen Behandlungsmaßnahmen bewältigen zu können, hier Aufnahme einer Schwangeren oder Überweisung in ein Perinatalzentrum, obliegt allein dem Belegarzt. Für dessen Fehlbeurteilung haftet der Krankenhausträger weder nach § 278 BGB noch nach § 831 BGB.

 

Verfahrensgang

LG Aurich (Aktenzeichen 2 O 350/05)

 

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch nicht anfechtbaren einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, soweit sie sich dagegen wendet, dass die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen worden ist.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.

II. Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil.

Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

 

Gründe

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen angeblicher Behandlungsfehler im Zusammenhang mit ihrer Geburt in Anspruch. Der Beklagten zu 1) wirft sie vor, ihre Mutter am 18.5.2002 stationär aufgenommen zu haben, obwohl eine zureichende medizinische Betreuung der erkennbar risikobehafteten Schwangerschaft im Hause der Beklagten nicht gewährleistet gewesen sei. Die Beklagte habe durch geeignete organisatorische Maßnahmen die Aufnahme der Kindesmutter verhindern oder zumindest deren umgehende Verlegung in ein Perinatalzentrum sicherstellen müssen. In Folge der auch von der Beklagten zu 1) zu vertretenden Frühgeburt in der rechnerisch 24. + 5 SSW habe sie u.a. an einer bronchopulmonalen Dysplasie sowie einer Retinopahia praematurorum gelitten. Erst im Dezember 2002 habe sie nach Hause entlassen werden können. Noch heute seien bei ihr deutliche Entwicklungsverzögerungen feststellbar.

Das LG hat die auf Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte zu 1) sei zu keinen organisatorischen Maßnahmen verpflichtet gewesen, die eine Aufnahme der Mutter der Klägerin verhindert hätten. Sämtliche Aufnahmeindikationen durch einen angestellten Arzt prüfen zu lassen, sei nicht geboten und übersteige das Maß des Zumutbaren.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, die Beklagte zu 1) habe durch eine Dienstanweisung an die Beklagte zu 2) sicherstellen müssen, dass keine Hochrisikoschwangeren aufgenommen würden. Die Beklagte zu 1) sei daher antragsgemäß zu verurteilen.

Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die Entscheidung des LG erweist sich auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens als zutreffend. Weder hat die Beklagte zu 1) vertragliche Pflichten verletzt, noch haftet sie der Klägerin nach deliktsrechtlichen Vorschriften.

Der Beklagten zu 1) ist nicht vorzuwerfen, dass die Aufnahme der Kindesmutter bzw. ihr Verbleib in der Klinik R ... möglicherweise aus medizinischer Sicht fehlerhaft war. Die Entscheidung, ob eine Aufnahme und ein Verbleib der Kindesmutter in der von der Beklagten zu 1) betriebenen Klinik verantwortet werden konnte, oblag nach den zwischen den Parteien getroffenen Absprachen der Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 1) hat insoweit keine eigenen Pflichten verletzt. Für eine etwaige Fehlentscheidung der Beklagten zu 2) haftet sie nicht.

Zwischen der Mutter der Klägerin und der Beklagten zu 1) bestand ein sog. "gespaltener Arzt-Krankenhaus-Vertrag", in dessen Schutzbereich die Klägerin einbezogen war. Die entsprechenden Feststellungen des LG werden von der Berufung nicht in Zweifel gezogen.

Bei einer solchen Vertragsgestaltung zeichnet grundsätzlich der Belegarzt für die ärztlichen Behandlungsleistungen verantwortlich, während der Krankenhausträger für die allgemeinen Krankenhausleistungen einzustehen hat. Zum Aufgabenkreis des Belegarztes zählt dabei namentlich die Beantwortung der Frage, ob die Ausstattung des Krankenhauses ausreicht, um die nach der Eingangsdiagnose zu erwartenden ärztlichen Behandlungsmaßnahmen bewältigen zu können (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rz. 180). Der Träger des Belegkrankenhauses haftet für diese Entscheidung regelmäßig nicht (a.a.O.).

Die Entscheidung über die Aufnahme der Kindesmutter bzw. die Notwendigkeit ihrer Verlegung fällt demnach in den belegärztlichen Leistungsbereich. Sie ist allein von der Beklagten zu 2) zu verantworten.

Ein etwaiges Fehlverhalten der Beklagten zu 2) kann der Beklagten zu 1) auch nicht gem. § 278 BGB zugerechnet werden. Voraussetzung wäre, dass erstere im Pflichtenkreis der Beklagten zu 1), wie er durch den Inhalt des Schuldverhältnisses festgelegt ist, tätig geworden i...

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