Verfahrensgang

AG Wittmund (Aktenzeichen 6 F 349/22 VKH3)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2. wird der Beschluss des Amtsgerichts Wittmund vom 25.10.2022 aufgehoben und zur erneuten Entscheidung über den Vergütungsantrag des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten mit Schriftsatz vom 06.10.2022 nach Maßgabe der vorliegenden Entscheidung zurückverwiesen.

 

Gründe

Den Beteiligten zu 1. und 2. wurde auf ihren Antrag mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 20.09.2022 mit Beschluss vom 04.10.2022 Verfahrenskostenhilfe für die 1. Instanz bewilligt. Mit Schriftsatz vom 06.10.2022 begehrte der Verfahrensbevollmächtigte die Erstattung von Gebühren und Auslagen als Vorschuss gemäß § 47 RVG festzusetzen. U.a. begehrte er auch die Festsetzung einer Verfahrens- und Einigungsgebühr für die im Termin getroffene Umgangsvereinbarung. Das Verfahren wurde als einstweiliges Anordnungsverfahren im Sorgerecht geführt und mit Beschluss vom 22.09.2022 aufgrund mündlicher Verhandlung vom gleichen Tage beendet.

Das Amtsgericht hat mit angefochtenem Beschluss die Vergütung des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten auf 774,45 EUR festgesetzt. Hierbei hat es ausgeführt, dass sich die bewilligte Verfahrenskostenhilfe für das einstweilige Sorgerechtsverfahren nicht automatisch auf die geschlossene, nicht anhängige Umgangsvereinbarung, erstrecke. Folglich könne nur eine Vergütung nach einem Verfahrenswert von 2.000,00 EUR für das einstweilige Sorgerechtsverfahren ausgezahlt werden können.

Hiergegen wenden sich die Beteiligten mit ihrer form- und fristgerecht erhobenen Erinnerung. Dieser hat das Amtsgericht durch die zuständige Richterin mit Beschluss vom 12.01.2023 nicht abgeholfen. Der hiergegen erhobenen Beschwerde vom 20.02.2023 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 23.03.2023 gleichfalls nicht abgeholfen und dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Nach § 48 Abs. 1 RVG richtet sich der Vergütungsanspruch des im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts nach der Entscheidung, durch die Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Anwalt beigeordnet wurde. Die Mitwirkung eines Rechtsanwalts an einem Vergleichsabschluss in einem Gerichtstermin löst hinsichtlich des Mehrvergleichs regelmäßig neben der Einigungsgebühr auch eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr aus. Die Frage nach der Erstattungsfähigkeit - zweifelsfrei angefallener - Gebühren aus der Staatskasse ist daher in erster Linie eine solche nach der Auslegung des Bewilligungsbeschlusses.

Der nach Verfahrensbeendigung unter dem 04.10.2022 erlassene Beschluss bewilligt nach seinem Wortlaut schlicht für die 1. Instanz Verfahrenskostenhilfe, ohne sich näher zum Umfang der Bewilligung zu äußern.

Wie eine derartige Formulierung auszulegen ist, ist streitig.

Teilweise wird vertreten, dass eine solche Bewilligung ohne eine ausdrückliche Erstreckung auf die genannten Gebühren für den Mehrvergleich allein nicht ausreiche, um auch die weiteren Gebühren zu umfassen (vgl. OLG Koblenz Beschluss vom 19. Mai 2014 - 13 WF 369/14, zitiert in FamRZ 2014, 1877; AGS 2014, 527; OLG Dresden Beschluss vom 07. Mai 2015 - 19 WF 1424/14).

Nach anderer Auffassung ist derartigen Formulierungen regelmäßig zu entnehmen, dass alle entstandenen Gebühren von der Landeskasse zu erstatten sind (vgl. OLG Köln Beschluss vom 29. April 2013 - 25 WF 235/12, zitiert in FamRZ 2014, 1875; ähnlich Keske NJW2014, 2805).

Hinsichtlich der Auslegung einer solchen erweiterten Bewilligung schießt sich der Senat grundsätzlich der letztgenannten Auffassung an. Darauf kommt es vorliegend allerdings nicht an, weil auch auf der Grundlage der erstgenannten Auffassung die von dem beigeordneten Rechtsanwalt geforderten weiteren Gebühren zu gewähren sind. Von einer Erstreckung der Bewilligung für den Mehrvergleich auch auf diese Gebühren kann nämlich auszugehen sein, wenn zwischen dem eigentlichen Verfahrensgegenstand und dem zusätzlichen Gegenstand des Mehrvergleichs ein enger sachlicher Zusammenhang besteht (vgl. OLG Koblenz AGS 2014, 527 für Trennungsunterhalt und nachehelichen Unterhalt; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29. April 2016 - 6 WF 57/16 -, Rn. 8 - 9, juris; BAG, Beschluss vom 30. April 2014, ZfSch 2014, 527)

Zwischen einem anhängigen Sorgerechtsverfahren und einem Umgangsverfahren bezüglich derselben beteiligten Kinder und Eltern besteht nach Auffassung des Senats jedenfalls dann ein enger Zusammenhang, wenn - wie hier - den Eltern vorläufig Teilbereiche der elterlichen Sorge bis zur Entscheidung in der Hauptsache entzogen wird, und die Eltern sich mit dem zuständigen Jugendamt in Anbetracht dessen auf einen (begleiteten) Umgang im Termin zur mündlichen Verhandlung verständigt haben. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass die Ausgestaltung eines Umgangsrechts zur einvernehmlichen Regelung des Sorgerechts beitragen kann und somit trotz unterschiedlicher Rechtsgrundlagen ein untrennbarer Zusa...

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