Leitsatz (amtlich)
Es kann eine Haftung des Geschäftsführers einer GmbH nach § 64 Abs. 2 GmbHG in Betracht kommen, wenn er nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH Zahlungen von Kunden auf ein debitorisch geführtes Konto der GmbH dadurch zurechenbar veranlasst hat, dass nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit für Rechnungen an Kunden ein Rechnungsformular mit der Angabe des debitorisch geführten Kontos verwendet worden ist.
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Beschluss vom 04.12.2003; Aktenzeichen 15 O 554/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels der Beschluss der 15. Zivilkammer (3. Kammer für Handelssachen) des LG Osnabrück vom 4.12.2003 geändert.
Der Antragstellerin wird für die beabsichtigte Klage gegen den Antragsgegner in Höhe eines Betrages von 89.756,39 Euro nebst Zinsen von 4 % seit Rechtshängigkeit Prozesskostenhilfe bewilligt.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
Der Antragstellerin wird zur Wahrnehmung ihrer Rechte Rechtsanwalt V., zu den Bedingungen eines am Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.
Gerichtsgebühren werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat Prozesskostenhilfe für eine Klage beantragt, mit der sie als Insolvenzverwalterin den Antragsgegner als ehemaligen Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin auf Schadensersatz nach § 64 Abs. 2 GmbHG in Anspruch nehmen will wegen nach dem Zeitpunkt eingetretener Zahlungsunfähigkeit geleisteter Zahlungen von Kunden auf ein debitorisch geführtes Bankkonto der Gemeinschuldnerin.
Das LG hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 4.12.2003 zurückgewiesen. Es hat die für die Prozesskostenhilfebewilligung erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Klage verneint, weil auch nach dem Vorbringen der Antragstellerin ein pflichtwidriges Geschäftsführerhandeln des Antragsgegners nicht anzunehmen sei; er habe die Kundenzahlungen auf das debitorische Konto der Gemeinschuldnerin selbst nicht vorgenommen und auch nicht veranlasst, vielmehr seien die entsprechenden Zahlungen der Kunden offensichtlich allein auf Grund vorausgegangener Geschäftstätigkeit auf das auf den Rechnungsformularen der späteren Insolvenzschuldnerin angegebene Geschäftskonto vorgenommen worden.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde. Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig und im Wesentlichen auch begründet.
Die subjektiven Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfebewilligung sind gegeben.
Die Antragstellerin hat belegt, dass die anfallenden Prozesskosten nicht aus der noch vorhandenen Insolvenzmasse (aus einem Kontoguthaben von 11.496,88 Euro) beglichen werden können, weil das vorhandene Guthaben für die Deckung der Verfahrenskosten einschließlich der Insolvenzverwaltervergütung benötigt wird.
Den am Verfahren beteiligten Gläubigern ist die Aufbringung der Prozesskosten nicht nach § 116 Nr. 1 ZPO zuzumuten, da nach Einschätzung des Senats die Chancen einer von den Gläubigern tatsächlich zu erwartenden Quotenverbesserung durch Realisierung der einzuklagenden Forderung gegen den Antragsgegner den von den Gläubigern zu leistenden anteiligen Beitrag der Prozessfinanzierung und die damit verbundenen Risiken nicht deutlich übersteigen (zu einer solchen Abwägung BGH v. 27.9.1990 - IX ZR 250/89, MDR 1991, 334 = NJW 1991, 40 f.). Wenn Sozialversicherungsträger, BfA, Arbeitnehmer und Kleingläubiger bis 5.000 DM außer Betracht gelassen werden, denen die Aufbringung der Prozesskosten von vornherein nicht zuzumuten ist (Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 116 ZPO Rz. 7, 8), ergibt sich bei dann für die Kostentragung zu berücksichtigenden Insolvenzgläubigern mit Forderungen von insgesamt ca. 114.000 Euro eine zu übernehmende Kostenquote von 10 % (bezogen auf die eigene Forderung). Bei einer in der Realisierbarkeit problematischen Klageforderung und einer evtl. zu erzielenden Quote von 16 % ist die Finanzierung der Prozesskosten den (qualifiziert) beteiligten Gläubigern dann nicht zuzumuten.
Eine Prozessfinanzierung durch den Insolvenzverwalter selbst bzw. zu Lasten der Vergütung des Insolvenzverwalters kommt nach der Rechtsprechung des BFH nicht in Betracht (BFH v. 15.1.1998 - IX ZB 122/97, NJW 1998, 1229; Zöller/Philippi, ZPO, § 116 Rz. 10 , m.w.N.).
Entgegen der Auffassung des LG kann die beabsichtigte Klage der Antragstellerin auch nicht als mutwillig gewertet werden. Zwar ist Mutwilligkeit der Prozessführung gegeben, wenn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Dauer nicht durchgesetzt werden kann und eine nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesene, vernünftig denkende Partei deswegen von der Prozessführung absehen würde. Eine im Zeitpunkt der Klageerhebung fehlende Zahlungsfähi...