Entscheidungsstichwort (Thema)

Betrug

 

Leitsatz (amtlich)

Zahlungen, die ein Pflichtverteidiger für seine Tätigkeit im Ermittlungsverfahren von einem Dritten erhalten hat, sind auf seine Pflichtverteidigergebühren für die erste Instanz nach § 58 Abs 3 RVG anzurechnen. Das gilt auch dann, wenn der Verteidiger für das Erittlungsverfahren keine Festsetzung von Pflichtverteidigergebühren beantragt, um eine solche Anrechnung zu vermeiden.

 

Normenkette

RVG § 58 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Beschluss vom 21.03.2007; Aktenzeichen 10 KLs 10/06)

LG Osnabrück (Beschluss vom 08.01.2007; Aktenzeichen 10 KLs 10/06)

StA Osnabrück (Aktenzeichen 140 Js 37324/03)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss des Landgerichts Osnabrück vom 21. März 2007, durch den seine Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Landgerichts Osnabrück vom 8. Januar 2007 zurückgewiesen worden ist, werden die genannten Beschlüsse insoweit aufgehoben, als eine Festsetzung der vom Verteidiger geltend gemachten Tage und Abwesenheitsgelder abgelehnt worden ist. Insoweit wird die Sache zur erneuten Entscheidung an den Urkundsbeamten zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet verworfen.

 

Gründe

Der Beschwerdeführer war im Ermittlungsverfahren als Wahlverteidiger tätig. Mit Beschluss des Landgerichts vom 2. Mai 2006 ist er zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Während des weiteren – sehr umfangreichen – Verfahrens war er als solcher tätig.

Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 8. August 2006 die Festsetzung seiner Pflichtverteidigergebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 4.865,52 EUR geltend gemacht unter Einschluss einer Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG, aber ohne einen gesonderten Ansatz für seine Tätigkeit im Ermittlungsverfahren. Er hat bei der Antragstellung mitgeteilt, er habe für den ersten Rechtszug von Dritten bisher 2.467 EUR netto erhalten. Diese Zahlung sei gemäß § 58 Abs. 3 Satz 3 RVG nicht auf seine Pflichtverteidigervergütung anzurechnen, weil er unter Berücksichtigung der Zahlung insgesamt nicht mehr als das Doppelte der ihm aus der Staatskasse zustehenden Gebühren erhalten würde. Speziell für das Ermittlungsverfahren habe er von Dritten Vorschüsse erhalten, er mache insofern für das Vorverfahren aber keine Pflichtverteidigergebühren geltend, so dass auch in soweit keine Anrechnung stattfinde. Auf Nachfrage des Bezirksrevisors hat er angegeben, die für seine Tätigkeit im Ermittlungsverfahren von dritter Seite erhaltenen Zahlungen hätten sich auf insgesamt 29.582,24 EUR brutto belaufen (26.409,34 EUR als Gebühren und 3.172,90 EUR als Auslagen).

Der Urkundsbeamte des Landgerichts hat den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen, weil die vom Verteidiger vereinnahmten Zahlungen nach § 58 Abs. 3 RVG insgesamt auf die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren anzurechnen seien. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Verteidigers hat das Landgericht mit Beschluss vom 21. März 2007 zurückgewiesen. Der dagegen eingelegten Beschwerde des Verteidigers hat das Landgericht nicht abgeholfen.

Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässig. In der Sache bleibt sie überwiegend ohne Erfolg.

Das Landgericht hat darauf abgestellt, die erheblichen Zahlungen, die der Verteidiger nach seiner Angabe allein für seine Tätigkeit im Ermittlungsverfahren erhalten hat, seien nach § 58 Abs. 3 RVG anzurechnen, weil sie für einen Verfahrensabschnitt gezahlt worden seien, für den auch die Staatskasse Gebühren zu zahlen habe. Als Verfahrensabschnitt im Sinne der genannten Vorschrift sei nämlich der Instanzenzug anzusehen. Da das Ermittlungsverfahren zur 1. Instanz zähle, seien hierfür vom Verteidiger erhaltene Zahlungen auf seine Pflichtverteidigervergütung anzurechnen.

Abgesehen von der auch vorgenommenen Anrechnung auf Auslagen (dazu s.u.) trifft diese Entscheidung des Landgerichts zu. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Nach § 58 Abs. 3 RVG sind in Strafsachen Vorschüsse und Zahlungen, die der zum Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt vor oder nach der gerichtlichen Bestellung für seine Tätigkeit für bestimmte Verfahrensabschnitte erhalten hat, auf die von der Staatskasse für diese Verfahrensabschnitte zu zahlenden Gebühren anzurechnen. Die Entscheidung über das Rechtsmittel hängt deshalb hier davon ab, was unter „Verfahrensabschnitt” in diesem Sinne zu verstehen ist. Das RVG enthält hierzu keine ausdrückliche Begriffsbestimmung.

§ 58 Abs. 3 RVG ist allerdings an die Stelle der früheren Regelung von § 101 Abs. 1 und 2 BRAGO getreten. Hierfür war es seit langem allgemein anerkannt, dass sich die dort angeordnete Anrechnung von Zahlungen für die anwaltliche „Tätigkeit in der Strafsache” auf alle Zahlungen für Tätigkeiten in einer Instanz des Strafverfahrens bezog. Anzurechnen waren insoweit auch Zahlungen, die für die Tätigkeit des Verteidigers im Vorverfahren gezahlt worden waren, und zwar auch dann, wenn die Bestellung erst später erfolgt war, vgl. etwa ...

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