Leitsatz (amtlich)
1. Zu den eigentumsrechtlichen Rechtsfolgen der Einnistung eines (Pferde-)Embryos in die Gebärmutterschleimhaut einer Leihstute.
2. Beim Embryonentransfer verliert der Embryo mit der Einnistung (Nidation) in die Gebärmutterschleimhaut der Leihstute die Sonderrechtsfähigkeit.
3. Für die Frage der Wesentlichkeit im Sinne des § 93 BGB kommt es nicht darauf an, ob der Bestandteil für die Funktion oder den Wert der Sache von Bedeutung ist.
4. Für § 947 Abs. 2 BGB stellt der Wert der Hauptsache im Verhältnis zur Nebensache kein entscheidendes Kriterium dar.
Verfahrensgang
LG Aurich (Urteil vom 20.03.2024; Aktenzeichen 3 O 762/23) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 20. März 2024 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aurich wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Nebenintervention entstandenen Kosten hat der Kläger zu tragen.
Das angefochtene Urteil des Landgerichts Aurich ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Herausgabe eines Hengstfohlens. Die Beklagte erwarb am 29. Juli 2022 die unerkannt tragende Stute "F" von der G GbR. Am 2. Juni 2023 gebar diese Stute ein Hengstfohlen, dessen Herausgabe der Kläger verlangt. Der Kläger behauptet, er habe am 15. Juni 2022 die in seinem Eigentum stehende Stute "H", abstammend von dem Hengst "J" vom Gestüt K, besamen lassen. Am 23. Juni 2022 sei die befruchtete Eizelle aus der genetischen Mutterstute herausgespült und im Wege eines Embryotransfers in die im Jahr 2004 geborene Leihstute "F" eingesetzt worden, die ihm von der G GbR zur Verfügung gestellt worden sei. Nachdem im Rahmen einer tierärztlichen Trächtigkeitsuntersuchung eine Trächtigkeit von den Nebenintervenienten verneint worden sei, sei die Leihstute an die Eigentümerin G GbR zurückgegeben worden. In der ersten Instanz hat der Kläger die Herausgabe des am 2. Juni 2023 geborenen braunen Hengstfohlens abstammend von dem Vaterhengst "J" aus einer "L" Mutter an ihn verlangt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte unstreitig Eigentümerin der Stute "F" geworden sei und damit auch Eigentum an dem nach Erwerb geborenen Fohlen erworben habe. Eine Ausnahme sei nicht gegeben. Auch wenn in der ursprünglichen Überlassung der Leihstute durch die G GbR an den Kläger eine Erwerbsgestattung an dem ausgetragenen Fohlen durch den Kläger liegen könnte, so sei die Beklagte nach Erwerb des Eigentums an der Leihstute nicht an diese Gestattung gebunden gewesen. Das Eigentum an dem Embryo habe der Kläger spätestens mit der Einnistung verloren. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Die vom Landgericht herangezogenen Bestimmungen der §§ 953 bis 957 BGB würden auf das vorliegende Verfahren keine Anwendung finden. Bei einem Pferdeembryo handele es sich um ein eigenes, besonderen Rechten unterliegendes Wirtschaftsgut, über das entsprechende gesetzliche Vorgaben bestehen würden. Die Auffassung des Landgerichts, durch Nidation des Embryos sei dieser zum Erzeugnis der Leihstute geworden mit der Folge, dass dementsprechend die Beklagte als Eigentümerin der Leihstute dann auch Eigentümerin des anschließend geborenen Fohlens geworden sei, sei unzutreffend. Der historische Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die Frucht letztlich auch genetisch von dem Muttertier stamme und dann auch untrennbar verbunden sei. Dies treffe auf die vorliegende Fallkonstellation nicht zu. Genetisch habe die Leihstute nichts mit dem Embryo bzw. dem sich hieraus entwickelnden Fohlen zu tun. Diese sei lediglich "Austragungsobjekt" bzw. "Brutkasten", um auf diese Art und Weise die weitere sportliche Nutzbarkeit und/oder eine über die natürliche Geburtenrate hinausgehende Vielzahl von Nachkommen der genetischen Mutter zu gewährleisten. Der Kläger sei Eigentümer des Embryos gewesen und habe die Bedeckungskosten sowie die Kosten für die Herausspülung des Embryos getragen. Dieses Eigentum habe er nicht dadurch verloren, dass er in eine von ihm selbst angemietete Leihstute diesen Embryo implementieren ließ, mit der Folge, dass er Eigentümer des Embryos und des sich daraus entwickelnden Fohlens geblieben sei. Etwas anderes sei nicht mit dem Gesetzeszweck des § 93 BGB zu vereinbaren. § 93 BGB verfolge den Zweck, die nutzlose Zerstörung wirtschaftlicher Werte zu verhindern, die dann eintreten würde, wenn wesentliche ...