Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweisverwertungsverbot. Blutentnahme. Anordnung, richterliche
Leitsatz (amtlich)
Es führt zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn Polizeibeamte die generelle Befugnis erteilt worden ist, bei der Entnahme von Blutproben gem. § 81a StPO auf die Einschaltung eines Richters zu verzichten.
Normenkette
StPO § 81a
Verfahrensgang
AG Lingen (Urteil vom 03.07.2009) |
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Lingen vom 03.07.2009 aufgehoben. Der Betroffene wird freigesprochen.
2. Die Kosten des Verfahrens sowie die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 24 StVG, 24 a Abs. 2 und 3 StVO zu einer Geldbuße von 250,00 Euro und einem Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verurteilt.
Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen.
Der Betroffene befuhr am 19.04.2008 gegen 16.50 Uhr in ... die ... mit einem Pkw ..., amtliches Kennzeichen .... Zu dieser Zeit stand er unter der Wirkung von Cannabinoiden. Nachdem der Betroffene wegen einer allgemeinen Verkehrskontrolle angehalten worden war, stellte der Polizeibeamte G... fest, dass der Betroffene wässerige Augen hatte. Der Betroffene räumte ohne zuvor belehrt worden zu sein - ein, am Vortrage Cannabis konsumiert zu haben. Dem Betroffenen wurde angeboten einen Drogentest auf der Wache durchzuführen. Damit war er einverstanden. Auf der Wache wurde er ordnungsgemäß belehrt. Er räumte ein, täglich Cannabis zu konsumieren. Der durchgeführte Drogenvortest verlief positiv. Daraufhin ordnete der Zeuge G... ohne Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft und ohne richterliche Anordnung die Entnahme einer Blutprobe an. Auf die Einholung eines richterlichen Beschlusses verzichtete er, da ihm mitgeteilt worden war, dass der Präsident des Amtsgerichts Osnabrück am 02.04.2008 bekanntgegeben habe, dass bei der Anordnung von Blutproben immer Gefahr im Verzuge bestehe und eine richterliche Anordnung nicht mehr erforderlich sei. Er hatte von dem Leiter der Polizeiinspektion ... eine Mail nachfolgenden Inhalts erhalten:
"Liebe Kollegen, der Präsident des AG Osnabrück hat in einem Telefongespräch mit dem Polizeipräsidenten der PD ... am 02.04.2008 eindringlich darauf hingewiesen, dass nach Rechtsauffassung des AG bei der Anordnung von Blutproben immer Gefahr im Verzuge vorliegt und somit eine richterliche Anordnung gem. § 81 a StPO nicht mehr erforderlich ist. Somit sind die Polizeivollzugsbeamtinnen und beamten und Beachtung der entsprechenden Rechtsvorschriften immer zur Anordnung einer Blutprobe ermächtigt. Dieses gilt am Tage und in der Nacht sowie Werktags und an Sonn und Feiertagen.
Der PP hat in diesem Zusammenhang sowohl auf die bestehende Rechtsauffassung im Lande Niedersachsen (MI und MJ) als auch auf die Verfügungslage der PD hingewiesen, welche ebenfalls bei einschlägigen Sachverhalten immer das Vorliegen von Gefahr im Verzuge bejaht."
Die entnommene Blutprobe ergab nach dem Befund der Laborarztpraxis ... nach der Methodik GC/MS F einen THC Wert i.S. von 6,5 ng/ml. Die mit derselben Messmethodik festgestellte THC-Carbonsäure i.S. ergab 150 ng/ml und der Nachweis 11-HydroxyThC i.S. betrug 2,3. Der Betroffene hätte bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen können und müssen, dass er möglicherweise unter Einfluss berauschender Mittel fuhr, da er nach eigenen Angaben gegenüber dem Polizeibeamten G... regelmäßig täglich 1 Köpfchen konsumierte.
Das Amtsgericht hat das aufgrund der entnommenen Blutprobe erstattete Gutachten für verwertbar gehalten. Es hat insoweit ausgeführt:
Insoweit besteht Einigkeit in der Rechtsprechung, dass im Zusammenhang mit § 81 a StPO nicht jeder Verstoß gegen den Richtervorbehalt zu einem Beweisverwertungsverbot führt. Überwiegend wird danach zu Recht ein Beweisverwertungsverbot nur dann angenommen, wenn Gefahr im Verzuge und damit die Eilanordnungskompetenz willkürlich angenommen ist und der Richtervorbehalt bewusst und gezielt umgangen worden ist oder eine entsprechend grobe Verkennung der Rechtslage vorliegt, vergl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 23.12.2008, OLG Stuttgart - 1 Ss 532/07). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien kann hier nicht von einer willkürlichen Annahme der Eilanordnungskompetenz durch den Polizeibeamten ausgegangen werden.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass zur Zeit der Blutentnahme weit verbreitet die Auffassung vertreten wurde, dass es wegen der raschen Veränderung der Blutwerte nicht erforderlich sei, eine richterliche Anordnung einzuholen. Dies wurde auch teilweise in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten. Dem entsprach die dem Polizeibeamten von seinem Dienstvorgesetzten mitgeteilte Auffassung des Präsidenten des Amtsgerichtes. Zudem wurden entsprechende Auffassungen durch das zuständige Niedersächsische Ministerium vertreten. Unter diesen Umständen kann das Verhalten des Zeugen ... nicht als bewusst willkürliche Verletzung...