Leitsatz (amtlich)
Das Ansammlungsverbot gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 der Nds. Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona Pandemie vom 7.4.2020 ist von der Rechtsgrundlage des IfSG gedeckt.
Normenkette
CoronaVsozKonBeschrV ND (n.a.Abk.) § 2 Abs. 3 S. 2 Fassung: 2020-04-07
Verfahrensgang
AG Cloppenburg (Entscheidung vom 09.12.2020) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Oldenburg gegen das Urteil des Amtsgerichts Cloppenburg vom 9.12.2020 wird vom rechts unterzeichnenden Einzelrichter zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zugelassen.
Die Sache wird vom rechts unterzeichnenden Einzelrichter auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Oldenburg wird das vorgezeichnete Urteil aufgehoben.
Von der Aufhebung ausgenommen werden die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen. Insoweit wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen vom Vorwurf eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 3 Satz 2 der Niedersächsische Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona Pandemie vom 07.04.2020 (im Folgenden: Verordnung) aus Rechtsgründen freigesprochen.
Gegen den Betroffenen war eine Geldbuße in Höhe von 200 € festgesetzt worden.
Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Betroffene hielt sich am 09.04.2020 um 21:15 Uhr ... in seinem Fahrzeug auf und führte durch die geöffnete Fensterscheibe eine Unterhaltung mit drei weiteren Personen, die sich außerhalb seines Fahrzeuges befanden. Aufgrund der sich anschließenden Polizeikontrolle trennten sich die Personen wieder voneinander.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrem statthaften und zulässigen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, dem die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist.
II.
Der rechts unterzeichnenden Einzelrichter hat die Rechtsbeschwerde zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zugelassen, da das Urteil nicht in Übereinstimmung steht mit der Rechtsprechung des Senats, der mit Beschluss vom 11.01.2021 (2 Ss (OWi) 3/21, juris)
in einem vergleichbar gelagerten Fall den Schuldspruch bestätigt hat.
III.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Das Amtsgericht hat sich bei seiner Entscheidung möglicherweise an einem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 02.11.2020 (733 OWI 64/20, juris) zur Nordrhein-Westfälischen Rechtslage orientiert, das allerdings vom OLG Hamm mit Beschluss vom 08.02.2021 (1 RBs 2, 4-5/21, juris) aufgehoben worden ist.
Es bestehen zunächst keine Bedenken hinsichtlich der Rechtsgrundlagen für die Verordnung. Insoweit wird verwiesen auf die oben genannte Entscheidung des Senats vom 11.01.2021.
Ebenso wie das OLG Hamm für die in Nordrhein-Westfalen geltende Verordnung, sieht der Senat auch für die niedersächsische Verordnung keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht.
Wenn das Amtsgericht meint, dass sich aus § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ergebe, dass örtliche Ausweichmöglichkeiten bestehen müssten, teilt Senat diese Auffassung bereits nicht. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG kann die zuständige Behörde nämlich Personen verpflichten, von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. D. h. es geht nicht darum, dass (nur) bestimmte Orte nicht betreten werden dürfen, sondern dass die zuständige Behörde die entsprechenden Orte bestimmen kann: "von ihr bestimmte Orte".
Dass die Verordnung zulässige Zusammenkünfte und Ansammlungen auf 2 Personen beschränkt, ist durch die Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Das OVG Lüneburg hat hierzu Folgendes ausgeführt:
"Zwar durften die zuständigen Behörden nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG in der bis zum 27. März 2020 geltenden Fassung nur "Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer g r ö ß e r e n A n z a h l von Menschen beschränken oder verbieten". Ob von einer solchen "größeren Anzahl von Menschen" bereits bei mehr als zwei Personen ausgegangen werden konnte, ist fraglich (vgl. dahingehend aber Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 14/2530, S. 74 f.: "Die Vorschrift ermöglicht die Anordnung von Maßnahmen gegenüber einzelnen wie mehreren Personen. Bei Menschenansammlungen können Krankheitserreger besonders leicht übertragen werden. Deshalb ist hier die Einschränkung von Freiheitsrechten in speziellen Fällen gerechtfertigt. Die bisher geltende Vorschrift des BSeuchG zählte einzelne Veranstaltungen in Räumen und Ansammlungen unter freiem Himmel beispielhaft auf. Auf diese Aufzählung wird nun verzichtet und stattdessen der Begriff 'Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen' verwandt. Durch diese Beschreibung ist sichergestellt, dass alle Zusammenkünfte von Menschen, die eine Ver...