Leitsatz (amtlich)

Ist ein Kind außerhalb des Elternhauses in Vollzeitpflege untergebracht, wird dessen Unterhaltsbedarf durch die vom jeweiligen Träger erbrachten Leistungen für den laufenden Lebensbedarf (Sachaufwand) sowie Pflege und Erziehung (§ 39 Abs. 1, 2 SGB VIII) gedeckt. In diesem Fall tritt der öffentlich-rechtliche Anspruch auf einen Kostenbeitrag an die Stelle des familienrechtlichen Unterhaltsanspruchs.

 

Verfahrensgang

AG Brake (Beschluss vom 24.05.2016; Aktenzeichen 5 F 314/15 UK)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der am 24.5.2016 erlassene Beschluss des AG - Familiengericht - Brake geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die vollstreckbare Urkunde des Jugendamts A über die Verpflichtung zum Unterhalt vom 8.12.2012, Urkundenregister Nummer xx/2014 wird dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller ab dem 15.12.2014 nicht mehr verpflichtet ist, einen monatlichen Unterhalt an die Antragsgegnerin zu zahlen.

2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den für die Zeit von Dezember 2014 bis einschließlich Juni 2015 erhaltenen Unterhalt in Höhe von 1.330 Euro an den Antragsteller zurückzuzahlen.

3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist der leibliche Vater der 2008 geborenen Antragsgegnerin. Diese lebt im Haushalt der Großeltern mütterlicherseits. Diese sind zu ihren Vormündern bestellt und beziehen auch das Kindergeld. Zur Mutter besteht kein Kontakt. Der Antragsteller erzielt aus abhängiger Erwerbstätigkeit ein monatliches Bruttoeinkommen zwischen 1.800 und 1.900 Euro. Er ist Vater eines weiteren, im September 2014 geborenen, Kindes.

Am 8.12.2014 verpflichtete sich der Antragsteller mit Urkunde des Jugendamts A (Nr. xx/2014) an die Antragsgegnerin einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 190 Euro zu zahlen. Diesen leistete er von Dezember 2014 bis einschließlich Juni 2015. Am 14.12.2014 forderten die Großeltern der Antragsgegnerin als deren gesetzliche Vertreter den Antragsteller vergeblich auf, weiteren Unterhalt bis zur Höhe des monatlichen Mindestunterhalts von 272 Euro zu zahlen.

Am 15.12.2014 beantragten die Großeltern beim Landkreis A Hilfe zur Erziehung bei Vollzeitpflege sowie die Zahlung eines Pflegegeldes. Mit Bescheid vom 20.4.2015 bewilligte der Landkreis der Antragsgegnerin die beantragte Vollzeitpflege sowie ein Pflegegeld rückwirkend auf den Tag der Antragstellung. Als monatlicher Bedarf werden 589 Euro für materielle Aufwendungen, 50 Euro für Sonderbedarfe sowie 237 Euro als Kosten der Erziehung anerkannt. Auf den Gesamtbetrag von 876 Euro rechnet der Landkreis die Hälfte des Erstkindergeldes (92 Euro) an. Für Dezember 2014 wurden anteilig 446,10 Euro und ab Januar 2014 monatlich laufend 784 Euro gezahlt.

Am 30.4.2015 forderte der Landkreis den Antragsteller auf, zur Berechnung eines Kostenbeitrages Auskunft über sein Einkommen zu erteilen. Am 30.6.2015 teilte der Landkreis ihm mit, dass er aufgrund seiner Einkommensverhältnisse zurzeit nicht zu einem Kostenbeitrag herangezogen werde. Ab Juli 2015 stellte der Antragsteller seine Unterhaltszahlungen ein.

Der Antragsteller hat geltend gemacht, er sei ab Mitte Dezember 2014 zu keinen Unterhaltszahlungen mehr verpflichtet gewesen, weil seitdem der Bedarf der Antragsgegnerin durch das Pflegegeld vollständig gedeckt werde. Die Jugendamtsurkunde sei entsprechend zu ändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den für die Zeit vom 15.12.2014 bis einschließlich Juni 2015 geleisteten Unterhalt zurückzuzahlen.

Die Antragsgegnerin hat demgegenüber eingewandt, ihr nach dem doppelten Tabellensatz der Düsseldorfer Tabelle zu bemessender Bedarf werde auch bei Anrechnung des vollen Kindergeldes durch die erbrachten Leistungen nur teilweise gedeckt. Es verbleibe ein offener Betrag von zumindest 47 Euro.

Unter Zurückweisung des weiter gehenden Antrags hat das AG mit Beschluss vom 24.5.2016 die Jugendamtsurkunde dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller ab Dezember 2014 verpflichtet sei, monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 158 Euro, ab Januar 2015 in Höhe von 85 Euro, ab August 2015 in Höhe von 109 Euro sowie ab Januar 2016 in Höhe von 124 Euro zu zahlen. Der Bedarf der Antragsgegnerin entspreche dem doppelten Tabellenbetrag nach der Düsseldorfer Tabelle. Für Dezember 2014 sei die Einkommensgruppe 1 der Tabelle und bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.595 Euro ab Januar 2015 die Einkommensgruppe 2 maßgeblich. Dieses Einkommen sei auch für 2016 fortzuschreiben, weil die Antragsgegnerin eine Einkommensminderung durch einen zum 1.12.2015 erfolgten Wechsel des Arbeitsplatzes nicht hinnehmen müsse. Auf den Bedarf sei neben dem vollen Kindergeld nur der um den hälftigen Kindergeldanteil verminderte Teil des Pflegegeldes von 497 Euro anzurechnen, der für materielle Aufwendungen erbracht werde. Der für die Kosten der Erziehung in Höhe von 237 Euro geleistete Betrag sei hingegen als Einkommen der Großeltern zu betrachten. Für Dezember 2014 bestehe angesichts der auch gegenüber ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge